Die Zahlen sprechen für sich: Deutschlands
Wirtschaft wächst, auch wenn Experten vor einer Eintrübung des
freundlichen Klimas warnen. Die Steuereinnahmen steigen, die
Arbeitslosigkeit sinkt. Üblicherweise gehen Regierungen dank solcher
Parameter mit Rückenwind in die zweite Hälfte der Legislaturperiode.
Deshalb ist Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern in ihrer letzten
Pressekonferenz vor der Sommerpause auch nicht müde geworden, all die
guten Wirtschaftsdaten als Erfolge ihrer Regierungsarbeit zu
bezeichnen. Deutschland gehe es so gut wie lange nicht mehr, sagte
sie. Und das ist richtig. Abgesehen davon, dass immer noch zu viele
Privathaushalte nicht mit dem auskommen können, was sie einnehmen,
geht es der weit überwiegenden Mehrheit der Deutschen gut. Aber die
Wähler werten das nicht als Leistung der phasenweise chaotisch
wirkenden Koalition, sondern als Stärke der Wirtschaft.
Nun darbt die Regierung in den Umfragen. Rot-Grün scheint
uneinholbar enteilt zu sein. Für Schwarz-Gelb sieht es schlecht aus
mit der Wiederwahl. Daran trägt neben einer desolaten FDP die
Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende die Hauptschuld. Ihr ist es in
den vergangenen zwei Jahren nicht gelungen, der Union ein neues,
jüngeres und trotzdem bürgerliches Profil zu geben. Sie schwankt, sie
wankt, sie überrascht mit übereilten Beschlüssen wie dem
Atomausstieg. Sie lässt die FDP zunächst am ausgestreckten Arm
verhungern, um ihr dann doch mit Steuersenkungen entgegenzukommen,
die das Volk gleichwohl rundweg ablehnt. Denn den Wählern ist
Schuldenabbau wichtiger als die selbst definierte Daseinsberechtigung
der FDP.
Angela Merkel ist unberechenbar. Das unterscheidet sie von allen
bisherigen Kanzlern aus der CDU. Und jetzt ist es den Konservativen
genug. Das Bürgertum wendet sich ab von der Union. Das ist misslich
zwei Jahre vor der Bundestagswahl.
In der Großen Koalition war Merkel eine brillante Moderatorin
zwischen SPD und CDU. Die Gestaltung von bürgerlich-liberaler Politik
mit konservativer Handschrift aber gelingt ihr nicht. Nun könnte es
sich rächen, dass sie konservative Stars wie Friedrich Merz und
Roland Koch vertrieben hat. Solche Leute fehlen der Union. Und es
bleibt nicht mehr viel Zeit, das zu ändern.
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