Ein Kommentar von Antje Höning:
Eigentlich wissen Notenbank-Chefs, dass sie bei öffentlichen
Äußerungen vorsichtig sein müssen. Ihre Worte werden auf die
Goldwaage gelegt. Schon eine kleine Variation der verwendeten
Adjektive kann hektische Marktbewegungen auslösen. Um das zu
vermeiden, sprechen Währungshüter gerne in Orakeln. Nicht so der Chef
der Europäischen Zentralbank (EZB): Die Märkte befänden sich in der
schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, plapperte Jean-Claude
Trichet im französischen Radio. Die ohnehin nervösen Börsianer
mussten glauben, der ökonomische Weltuntergang sei da. Panik brach
aus, der Dax stürzte um mehr als sieben Prozent ab. Erst als die
Märkte merkten, dass Trichet schlicht aus der Rolle gefallen war,
erholten sie sich wieder. Trichets Fehltritt ist erstaunlich. Am
Sonntag erst hatte die EZB beschlossen, nun auch schlecht benotete
Anleihen von Italien und Spanien aufzukaufen. So sollte das Vertrauen
der Märkte wieder hergestellt werden, hatte Trichet den umstrittenen
Schritt begründet. Mal abgesehen davon, dass die EZB durch den Erwerb
von immer mehr Staatsanleihen zur Bad Bank Europas zu werden droht:
So viele Milliarden kann sie für die Herstellung von Vertrauen gar
nicht ausgeben, wie ihr Präsident gestern zerstört hat.
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