Rheinische Post: Versöhnung nach Gaddafis Tod

Ein Kommentar von Matthias Beermann:

Fast 42 Jahre lang hat Muammar al Gaddafi die Libyer geknechtet,
während er vor der Welt den Freiheitskämpfer gab, den edlen Streiter
für eine gerechte Sache. Er hat ein reiches Land
heruntergewirtschaftet, es der Gier seines Clans ausgeliefert. Nun
ist er tot, erschossen vom eigenen Volk. Das mag man bedauern, weil
der Despot doch eigentlich vor Gericht gehört hätte. Aber seien wir
realistisch: ein fairer Prozess in Libyen wäre kaum vorstellbar
gewesen. Dafür gehen zu viele Morde auf das Konto des alten Regimes.
Und ein Verfahren vor einem internationalen Strafgericht hätte
angesichts der jahrelangen Kungelei westlicher Spitzenpolitiker mit
dem Diktator mindestens einen schalen Beigeschmack gehabt. Gaddafis
Tod löst insofern einige Probleme; er entlässt die neue Führung des
Landes aber nicht aus der Verpflichtung, die Vergangenheit
aufzuarbeiten. Bislang ist die Rebellen-Regierung eine politische
Vision für die Zeit nach Gaddafi schuldig geblieben. Jetzt müssen die
Sieger beweisen, dass sie ernsthaft nach einer Versöhnung mit den
Anhängern des gestürzten Regimes streben und nicht etwa nach Rache.
Das wird ein sehr schwerer Prozess in einem Land, dessen politische
Strukturen systematisch zerschlagen wurden. Der Westen, der den
Libyern militärisch beigestanden hat, muss ihnen jetzt auch dabei
helfen, ihre Zukunft friedlich zu organisieren.

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