Mittelbayerische Zeitung: Zur Bundeswehrreform / Geschwächte Truppe / Verteidigungsminister de Maizière legt ein Zukunftskonzept mit vielen Unzulänglichkeiten vor.

Aus den vielen Bundeswehrreformen und
-reförmchen der vergangenen Jahre, unter denen die Truppe gelitten
hat, ragt das Konzept zur Neuausrichtung der deutschen Streitkräfte
von Verteidigungsminister Thomas de Maizière durchaus positiv hervor.
Dem Sohn des ehemaligen Bundeswehr-Generalinspekteurs Ulrich de
Maizière ist es in solider Detailarbeit gelungen, die deutschen
Streitkräfte soweit irgend möglich an die zukünftigen Aufgaben
anzupassen, die Strukturen zu verschlanken und gleichzeitig darauf zu
achten, dass die Bundeswehr zumindest in Ansätzen in der Fläche
präsent und damit in der Bevölkerung verankert bleibt. Damit ist aber
das Hauptproblem der Neuausrichtung auch schon beschrieben: De
Maizière konnte nicht die sicherheitspolitischen Interessen eines
80-Millionen-Volkes, eingebettet in ein internationales
Militärbündnis, in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellen. Er
musste sich vor allem dem Diktat des Sparens beugen und die
verbleibenden finanziellen wie personellen Ressourcen bestmöglich
nutzen. Das konnte nur zu einem Zukunftskonzept mit vielen
Unzulänglichkeiten führen. Deutschland, das sogar einen ständigen
Sitz im Weltsicherheitsrat anstrebt, wird nach der Reform immer mehr
zu einem sicherheitspolitischen Leichtgewicht. Internationales
Ansehen und der Einfluss der Bundesrepublik werden dramatisch
abnehmen, weil eine schwache Truppe von höchstens 185 000 Berufs- und
Zeitsoldaten nur schwerlich in der Lage sein wird, Interessen
wahrzunehmen, die Regierung und Parlament vorgeben. Ohne zu fordern,
dass Deutschland zur europäischen Militärmacht werden soll, muss doch
ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem sicherheitspolitischen
Anspruch und den Möglichkeiten gewahrt bleiben. De Maizières Konzept
mit künftig nur noch zwei Heeresdivisionen, schnellen Eingreifkräften
und deutlich verschlankten Führungsstrukturen kann nur dann Bestand
haben, wenn die deutschen Streitkräfte im internationalen Einsatz
lediglich im „Schongang“ gefordert werden. Lang andauernde und
„robuste“ Missionen werden künftig noch schwieriger zu schultern sein
als heute. Nicht zu bezahlen oder viel zu langsam im Zulauf sind
ausreichende Jagdflugzeuge vom Typ Eurofighter, Transportflugzeuge
wie die Transall A 400 M, moderne Kampfhubschrauber Tiger oder der
Transporthubschrauber NH 90, die im Einsatz die längst veralteten
Transall oder die CH-53-Hubschrauber ersetzen sollen.
Militärfachleute verlangen seit langem auch moderne Aufklärungsmittel
wie die unbemannte Superspionage-Drohne „Euro Hawk“, wovon die
Bundeswehr wegen der horrenden Kosten nur fünf anschaffen will. Die
deutschen Streitkräfte, die nach dem Reform-Marathon der vergangenen
15 Jahre eigentlich dringend Ruhe zur Selbstfindung bräuchten, werden
aber in der nächsten Zeit viele weitere Probleme beschäftigen.
Nachteilig auf die Nachwuchsgewinnung und das Selbstverständnis der
Truppe wird sich der völlig überflüssige Verzicht auf die Wehrpflicht
auswirken. Überzählig gewordene Soldaten mit 50 Jahren bei vollen
Rentenbezügen mit dem goldenen Handschlag zu pensionieren, wird für
heftigen Unmut und Ungerechtigkeiten sorgen. Und all die
Garnisonsstädte, die bei der Strukturreform Federn lassen mussten,
werden völlig zu Recht Unterstützung vom Bund und den Ländern
verlangen. Verteidigungsminister de Maizière wird nicht lange Ruhe
haben. Die Bundeswehr muss Garant der außenpolitischen
Glaubwürdigkeit Deutschlands bleiben. Sie dazu in die Lage zu
versetzen, bleibt seine Aufgabe.

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