In den Städten ist es modern geworden,
frischgebackene Familien zu besuchen. Die Jugendämter schicken
bestens ausgebildete Sozialarbeiterinnen zu den jungen Müttern und
auch Vätern. Sie schauen, ob für das Kind gesorgt wird und erklären
schon mal, dass Eltern nicht neben der Babywiege rauchen sollen. Vor
allem aber überzeugen sie Eltern, dass ein Kind womöglich in der Kita
besser ausgehoben ist als bei der Oma, die kaum deutsch spricht. Sie
erklären, dass die Kitabetreuung dem Kind nützt, wenn Geld, Energie
und Wissen fehlen, um mit dem Kind mal etwas zu unternehmen. Dass
gerade Kinder aus sozial schwachen und/oder bildungsfernen Schichten
vom frühen Kitabesuch profitieren, daran zweifelt wohl kaum noch ein
Experte. Auch im politischen Betrieb sind die Verantwortlichen über
alle Parteigrenzen hinweg dieser Meinung. Umso unverständlicher ist
es, dass sozial schwache Kinder daran gehindert werden, eine
Kindertagesstätte zu besuchen – zum einen, weil es für sie keinen
Platz gibt, zum anderen, weil Eltern mit 150 Euro monatlichem
Betreuungsgeld belohnt werden sollen, wenn sie ihr Kind zu Hause
lassen. Die Kombination aus schleppendem Kita-Ausbau und
beschlossenem Betreuungsgeld konterkariert stolze familien- und
bildungspolitische Ziele wie Chancengleichheit und Vereinbarkeit von
Familie und Beruf. Sie ist das beste Beispiel für eine Politik, der
Stringenz, Pragmatismus und auch Idealismus fehlen. Niemanden
verprellen, nichts aufgeben, niemals richtig ja oder auch nein sagen:
Familienministerin Kristina Schröder hat sich bei der Bundeskanzlerin
bereits eine Menge abgeschaut. Und Länder und Kommunen sehen trotz
des gesetzlichen Auftrags, die Kita-Plätze zügig auszubauen, keinen
Grund, ihre Prioritäten anzupassen – da mögen Bürgermeister und
Ministerpräsidenten reden wie sie wollen: Die Zahlen sprechen für
sich. Mag sein, dass ein Bekenntnis zum Betreuungsgeld Balsam ist für
die Seele manch erzkonservativer wie einflussreicher Köpfe der Union,
die mit Atomausstieg, Ende der Wehrpflicht, Ende der Hauptschule und
Merkels Plädoyer für den Mindestlohn viel zu schlucken haben. Doch
mit Gestaltung hat diese Politik nichts zu tun. Eher mit Stillstand
im parteipolitischen Klein-Klein. Fazit: Ursula von der Leyens
stringente Familienpolitik verwischt. Mit dem Mangel an Konturen
erleichtert Kristina Schröder den Kommunen obendrein das Nichtstun.
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