BERLINER MORGENPOST: Die FDP und die Gleichgültigkeit

Die Rede des Chefs war das, was man
umgangssprachlich okay nennt. Ein bisschen unbeholfen, aber deutlich,
stellenweise sogar kämpferisch. Er sprach nicht mehr über
Steuersenkungen, dafür erklärte er die Sanierung des Haushalts zum
wichtigsten Thema der Regierung. Natürlich gab es viel Kritik an
Grünen und SPD, auch an der Union. Inhaltlich war also alles drin,
was man von Philipp Röslers Rede auf dem Dreikönigstreffen erwarten
durfte. Begeisterung? Mäßig. Und weiter? Wenn man mit politisch
interessierten Menschen über die Liberalen sprechen möchte, bekommt
man immer wieder die rhetorische Frage: Wen interessiert denn die FDP
noch? Und das ist tragisch. Denn: Die FDP ist wichtig, sie regiert
unser Land. Und wenn in Saarbrücken gerade in dem Moment, als Rösler
in Stuttgart das wirtschaftliche Wachstum beschwört, die
Jamaikakoalition an den innerparteilichen Querelen der Saar-FDP
zugrunde geht und die CDU im Saarland ihren Schritt mit der
mangelnden Regierungsfähigkeit der Landes-FDP begründet, dann ist das
die Höchststrafe. Die FDP ist jetzt nur noch in fünf Ländern an der
Regierung beteiligt. Eine Partei, die frustriert ist, die Angst hat,
die sich selbst zerfleischt, die verliert. Die Menschen mögen diesen
Streit nicht. Er amüsiert sie vielleicht eine Weile, doch irgendwann
sind sie nur noch genervt. Und wenden sich ab. Was ist das für ein
Laden, fragen sich ehemalige FDP-Wähler, wenn der designierte
Generalsekretär Döring über seinen Parteichef Rösler, der ihn ja nach
dem Rücktritt Lindners ausgesucht hat, kurz vor dem Dreikönigstreffen
lästert: Dieser sei kein Kämpfer, sondern ein „Wegmoderierer“. Soll
heißen: Der kann es nicht! Das kann ja sein, ist im Grunde nicht von
der Hand zu weisen und eines der Kernprobleme der Partei. Doch durch
dieses ständige Hauen und Stechen werden die eigenen Leute
demotiviert und die Wähler abgeschreckt. Das ist besonders bitter,
weil gerade die Liberalen in ihrer Oppositionszeit die
Unprofessionalität der Regierungen scharf kritisierten. Und
versprachen: Wir machen es besser. So erhielten sie 14,6 Prozent.
Doch dann kamen: weniger Mehrwertsteuer für Hotels und Guido
Westerwelles „spätrömische Dekadenz“. Und irgendwann nur noch Streit
und Chaos. Zumindest nahmen das die Menschen so wahr. Auch weil die
FDP die Erfolge, die die Koalition ja hat, schlecht verkaufte. So
wurde man zur Zwei-Prozent-Partei. Doch Deutschland braucht die FDP,
braucht eine liberale Partei, weil die anderen etablierten Parteien
in einer großen Konsenssuppe vor sich hin dümpeln. Deutschland
braucht eine Partei, die wirtschaftlich denkt. Eine Partei, die an
Leistung glaubt, an Ehrgeiz, Mittelstand und Innovationen. Keine
Partei hat in der Geschichte der Bundesrepublik länger regiert als
die FDP. Der Markenkern der Liberalen war einmal, zumindest bis zum
Ende der Ära Kohl, die Seriosität. In der Oppositionszeit setzte die
FDP Themen. Viele fanden das gut. Andere verspotteten Westerwelle.
Und einige verachteten ihn sogar. Aber die Menschen sprachen
zumindest über die FDP. Heute ist da nur noch Gleichgültigkeit.

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