Schwäbische Zeitung: Angst vor dem Fass ohne Boden – Leitartikel

Den deutschen Abgeordneten, die in Kürze über
neue Milliarden-Hilfe für Griechenland entscheiden sollen, wird
mulmig. Immer neue Finanzspritzen haben an der Krise nichts geändert.
Drängt man aber das Land aus dem Euro, könnte man die ganze
Währungsunion gefährden. Bliebe also eine Staatspleite innerhalb der
Währungsunion mit Schuldenschnitt und der Chance für einen Neuanfang.

Unruhen und bürgerkriegsähnliche Zustände in Griechenland geben
aber einen Vorgeschmack darauf, was eine Staatspleite in Griechenland
auslösen könnte. Dann gäbe es keine Institutionen mehr, mit denen man
den Neuaufbau bewältigen könnte. Deshalb machen sowohl Finanzminister
Wolfgang Schäuble als auch Kanzlerin Angela Merkel weiter Druck,
lassen das Land aber nicht fallen. Die Griechen haben noch alles
selbst in der Hand, heißt es gebetsmühlenartig in Berlin. Und doch
mehren sich die Zweifel, dass ein weiteres Paket etwas ändern kann.
Schließlich fehlt es dem Land an Wirtschaftskraft,
Wettbewerbsfähigkeit und einer effizienten öffentlichen Verwaltung.

Bei all dem ist aber nicht zu vergessen: Die griechische Krise ist
eine hausgemachte Schuldenkrise, deren Lehre die Einführung und
Einhaltung einer Schuldenbremse ist. Doch wenn Athen gerettet ist,
wird noch lange nicht alles gut sein in Europa. Zusätzlich sind
Maßnahmen für eine neue Finanzmarktarchitektur nötig, mit der
Spekulationen wirksam eingedämmt werden können. Das aber kann nicht
allein auf nationaler Ebene gelöst werden – insofern ist die deutsche
Issing-Kommission nicht mehr als eine Alibi-Veranstaltung. Die
wichtigen Entscheidungen dazu finden in der G-20, der Runde der
Top-Wirtschaftsnationen, statt – und da hat sich noch nicht viel
getan. Angela Merkel musste gestern eingestehen, dass eine neue
Finanzmarktkrise alles andere als ausgeschlossen ist. Sich Sorgen
machen reicht aber nicht. Auch die Bekämpfung des
Spekulationskapitalismus ist eine Baustelle, auf der Angela Merkel
verlangt wird.

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