Frankfurter Neue Presse: Griechenland „Feuerbestattung des Sparprogramms“ Leitartikel von Panagiotis Koutoumanos

Den Flammen der gewaltsamen
Ausschreitungen, die Athen in der Nacht zum Montag erlebt hat, sind
höchstwahrscheinlich nicht nur zahlreiche Gebäude zum Opfer gefallen.
Vielmehr steht zu befürchten, dass die Unruhen, die die Innenstadt
erschütterten, letztlich einer Feuerbestattung des Sparprogramms
gleichkommen, das in dieser Nacht auf Druck der Troika vom
griechischen Parlament verabschiedet worden ist.

Welche Partei sollte es angesichts dieser Proteste ausgerechnet
jetzt – vor den leider kurz bevorstehenden Wahlen – wagen, sich für
die Durchsetzung der neu beschlossenen Einsparungen einzusetzen? Nach
wie vor scheint den meisten Mitgliedern der Regierungsparteien die
eigene Zukunft mindestens genauso wichtig zu sein wie die des ganzen
Landes. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen Abweichler aus dem
sozialistischen und konservativen Lager der Einheitsregierung, von
denen wohl nur die wenigsten eine ehrliche Gewissensentscheidung
gefällt haben. Davon zeugen auch viele Regierungsmitglieder, die sich
in öffentlichen Ansprachen gegen Teile des Sparprogramms stemmen,
diese dann aber klammheimlich doch mit absegnen. Nea-Demokratia-Chef
Antonis Samaras hat sich mit solcher Heuchelei genauso hervorgetan
wie die ultrakonservative LAOS, die nach erdrutschartigen Verlusten
in den jüngsten Umfragen versucht, dem Volk Sand in die Augen zu
streuen. Da mögen die Regierungsparteien der Forderung der Troika
nachkommen und ihre Unterschriften unter das Sparpaket setzen – ihnen
geht es vor allem darum, den unmittelbaren, ungeordneten Bankrott des
Landes zu verhindern. Sollten die Wahlen tatsächlich Ende April
stattfinden, dürfte die politische Landschaft Griechenlands ohnehin
eine ganz andere sein.

Der Protest weiter Teile der griechischen Bevölkerung gegen
schmerzhafte Einsparungen hat schon in der Vergangenheit den ohnehin
schwach ausgeprägten Reformwillen der politischen Elite gebrochen, so
dass nun noch schmerzhaftere Maßnahmen nötig geworden sind. Seinen
Ursprung hat dieser Teufelskreis jedoch in den falsch konstruierten
Hilfspaketen selbst. Mit dem ersten scheiterte die Troika schon
deshalb, weil sie damit versuchte, eine Liquiditätskrise zu
bekämpfen, obwohl sie es damals schon mit einer Solvenzkrise zu tun
hatte. Dieses Problem ist inzwischen erkannt. Aber immer noch immer
liegt der Fokus auf Gehalts- und Rentenkürzungen sowie
Steuererhöhungen, fehlen ausreichende Wachstumsimpulse. So rutscht
das Land immer tiefer in die Rezession, rückt die Erholung der
griechischen Wirtschaft in immer weitere Ferne. Und nicht zu Unrecht
herrscht inzwischen auch außerhalb Griechenlands die Meinung vor,
dass die Troika Maßnahmen erarbeitet, die in Export-Staaten wie
Deutschland oder Irland funktionieren könnten, aber nicht in einer
griechischen Wirtschaft, deren Ausfuhren nur 19 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts ausmachen.

Die traurige Ironie dieses Missverständnisses ist indes, dass mit
der zunehmenden Verschlechterung der griechischen
Wirtschaftssituation nicht nur die Geduld der Griechen schwindet, die
sich inzwischen erniedrigt sehen, sondern auch der Geberländer wie
Deutschland, die sich ihrerseits inzwischen ausgenommen fühlen.
Insofern verwundert es nicht, dass die Koalitionspartner der CDU nun
offen über eine mögliche Insolvenz des siechen Mittelmeerlandes
spekulieren. Das nun diskutierte zweite Griechenland-Paket werden sie
Ende des Monats wohl mit abnicken. Aber die Meinung, dass der
bisherige Griechenland-Plan nicht funktioniert, gewinnt in der
Regierung immer mehr Anhänger, so dass nun doch ein Plan B ernsthaft
ins Auge gefasst werden könnte: die geordnete Insolvenz Griechenlands
innerhalb der Eurozone.

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