Schwäbische Zeitung: Dunkle Wolken über Berlin – Leitartikel

Man muss nicht wetterkundig sein, um für die
kommenden Monate dunkle Wolken über Berlin zu prognostizieren. Denn
was in Düsseldorf geschieht, hat Auswirkungen in Berlin. In NRW hat
die FDP gestern selbst für Parteifreunde überraschend Harakiri
begangen. Vermeintlich prinzipienfest hat sie den Haushaltsplänen der
rot-grünen Minderheitsregierung ihre Zustimmung verweigert.

Dumm für die zockende FDP-Spitze, dass Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft das eigene Scheitern und die darauf folgenden
Neuwahlen durchaus gelegen kommen, auch wenn es so nicht geplant war.
Noch dümmer für die liberalen Hasardeure, dass sie so unpopulär sind,
dass sich ihre politische Zukunft wahrscheinlich demnächst außerhalb
des Landtages abspielen wird.

Für die Koalition in Berlin bedeuten diese Entwicklungen unruhige
Zeiten. Parteichef Philipp Rösler wird sich energisch gegen den
Abwärtstrend stemmen und sich auf Kosten der Union profilieren
müssen. Dass er nicht davor scheut, die FDP gegen die Kanzlerin in
Stellung zu bringen, hat die Nominierung von Joachim Gauck zum
Präsidentenkandidaten gezeigt. Einen Vorgeschmack auf schlechte Gags
zeigte dann der darauffolgende Froschvergleich.

Rösler muss jetzt kämpfen, er kann im Saarland verlieren, in
Schleswig-Holstein sich eventuell gerade retten, aber wenn die FDP in
knapp 60 Tagen aus dem Düsseldorfer Landtag fliegt, dann war es das
mit dem Bundesvorsitzenden Rösler.

Wenn Umfragen nicht täuschen, dann kann auch die Linkspartei in
Kürze die Abgeordnetenbüros in Düsseldorf räumen. Im Westen der
Republik zeichneten sich diese Parlamentarier vor allem durch Unreife
aus, kein großer Verlust. Für Bundesumweltminister Norbert Röttgen
jedoch kann die Wahl eine ganz andere Positionierung bringen. Macht
er die CDU zur stärksten Partei, scheitert aber am Rhein knapp an
einer rot-grünen Mehrheit, dann kann er plötzlich in Berlin Politik
mit Blick auf das Kanzleramt machen. Ehrgeizig genug wäre er.

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