Neue OZ: Kommentar zu Gauck

Gauck, der Versöhner

Was kann Gauck? Soll er die überhohen Erwartungen erfüllen, die
sich auf ihn richten, müsste er tatsächlich Supermann sein. Das ist
er nicht – er ist ein Mensch mit Fehlern. Darauf hat er selbst
hingewiesen, und einige, zum Beispiel seine Eitelkeit, sind auch
schon sichtbar geworden. Fest steht: Bei seiner ersten großen,
zuweilen sehr pastoralen Rede als Staatsoberhaupt hat er alles
richtig gemacht. Er macht Mut zur Zukunft. Er fordert die Menschen zu
Neugier auf und zu Anstrengungen – und er redet Tacheles mit
Politikern wie mit Bürgern. Erstere müssten klar und offen sein,
Letztere seien eben nicht nur Konsumenten. Das tut gut in unserer
Republik der Nörgler.

Klug zielt der Präsident auf Versöhnung auch mit jenen, die ihm
unterstellen, über seine Freiheitslehren die Gerechtigkeit vergessen
zu haben. Er verspricht den Schwachen Hilfe. Und dass er Wulffs Wort
von der „bunten Republik“ aufgreifen möchte, war mehr als nur eine
nette Geste gegenüber seinem Vorgänger. Auch die deutlichen Worte
gegen religiös motivierten Hass und sein bebender Zorn über die
Neonazis heben sich positiv ab von Inkompetenz und Nachlässigkeit der
Behörden.

Gauck greift tief in die Geschichte. Das wirkt etwas
rückwärtsgewandt. Auch ist das Deutschland des 21. Jahrhunderts nicht
so ängstlich, wie er es zeichnet. Das ist sicher: Von diesem
Präsidenten bekommt das Land Ermutigung.

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