BERLINER MORGENPOST: Die Bewährungsprobe ist bestanden / Leitartikel von Christine Richter

Es ist ein wichtiger Tag gewesen: für Berlins
Innensenator Frank Henkel (CDU), für die Polizeivizepräsidentin
Margarete Koppers, für die Berliner Polizisten und ihre vielen
Kollegen aus anderen Bundesländern. Das Ergebnis kann sich sehen
lassen: Henkel und Koppers haben ihren ersten 1. Mai, also den Tag,
an dem sie persönlich die Verantwortung für den Polizei-Einsatz
trugen, bestanden, die rund 7000 Polizeibeamten haben die Stadt
gesichert und konsequent gegen Gewalttäter durchgegriffen, die
sogenannte revolutionäre 1.-Mai-Demonstration wurde von ihnen zum
richtigen Zeitpunkt beendet. Alles gut also? Leider nicht. Denn wie
in den vergangenen 24 Jahren auch blieb es in Berlin nicht friedlich.
Mit Einbruch der Dunkelheit flogen Steine und Flaschen, Müllcontainer
wurden angezündet, gar vor dem Jüdischen Museum randaliert. Erneut
wurden Polizisten und auch Demonstranten verletzt, wieder nahm die
Polizei mehr als 100 Störer fest. Die Zahl der verletzten
Polizeibeamten ist im Vergleich zum Vorjahr wieder einmal gestiegen.
Es gelingt einfach nicht, die sinnlose Gewalt ganz zu unterbinden,
die sogenannten Autonomen daran zu hindern, am 1. Mai ihre
alljährlichen Ausschreitungen zu inszenieren. Trotz des massiven
Polizeiaufgebots von 7000 Beamten. Innensenator Henkel hat deshalb
recht, wenn er von einem „gelungenen Polizeieinsatz“, jedoch nicht
von einem „Erfolg“ spricht. Ein Erfolg träte erst ein, wenn ein 1.
Mai in Berlin wieder einmal friedlich verliefe, wenn es nicht mehr
hundert verletzte Polizeibeamte und mehr als hundert Festnahmen zu
vermelden gäbe. Ob wir Berliner das noch erleben werden? Nach 25
Jahren Randale am 1. Mai kann man sich das kaum noch vorstellen,
einen ganz und gar friedlichen Tag der Arbeit. So spricht alles
dafür, an der bewährten Polizeistrategie festzuhalten: also vor dem
1. Mai über Jugendprojekte zu versuchen, junge Menschen von Krawallen
abzuhalten, präventiv tätig zu werden, das Myfest in Kreuzberg, das
in diesem Jahr bei sommerlichen Temperaturen wirklich gut
funktioniert hat, weiter zu unterstützen und schließlich konsequent
durchzugreifen, sobald es zu Gewalt kommt. Henkel tat gut daran, an
dem Konzept seiner Vorgänger festzuhalten. Viel wird jetzt
spekuliert, ob Margarete Koppers nach dem gelungenen Einsatz nun
automatisch die neue Polizeipräsidentin in Berlin wird. Sie war, wie
Henkel auch, in der Walpurgisnacht und am 1. Mai in Wedding,
Kreuzberg und Mitte unterwegs, sie hat sich sehen lassen – auch
gegenüber ihren Polizeibeamten. Henkel hielt sich am Mittwoch mit
Äußerungen zu Koppers Zukunft zurück. Auch das ist richtig, denn nach
dem zweimal gescheiterten Verfahren unter Innensenator Ehrhart
Körting (SPD) ist die Stelle jetzt wieder neu ausgeschrieben worden.
Nun muss alles sauber laufen. Margarete Koppers kann sich auf die
Stelle bewerben, dann muss in einem transparenten Verfahren der neue
Polizeichef ausgesucht werden. Margarete Koppers hat in den
vergangenen beiden Tagen gezeigt, dass sie es kann. Doch jetzt folgt
die nächste, die entscheidende Runde: Sie muss sich gegen andere
erfahrene Polizeiführer durchsetzen. Erst dann ist Margarete Koppers
am Ziel.

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