So schnell kann es in der Politik gehen: Wer heute
noch Muttis Braver ist, kann sich morgen ihrer Fürsorge nicht mehr
sicher sein. Scheinbar wohlüberlegt war Bundeskanzlerin Merkel, als
sie jetzt die Laufzeit von Norbert Röttgen als Umweltminister
beendet hat. Damit demonstrierte sie aber weniger rationale
Entschlossenheit als vielmehr, wie Machterhalt funktioniert. Statt
Ruhe hat die Kanzlerin in der Union jetzt nur ein anderes Rumoren
erreicht. Denn sie zeigte, wie sehr sie selbst nach der
NRW-Wahlniederlage die Getriebene war. Wer am Montag noch Kontinuität
im Umweltministerium fordert, am Mittwoch dessen Chef aber feuert,
kann Röttgens Rauswurf mit der wichtigen Energiewende allein nicht
glaubwürdig begründen. Merkel musste dennoch handeln: Spätestens mit
Horst Seehofers ungewohnt ehrlichen Interview-Sätzen über den Zustand
der Koalition stand der gebeutelten Union eine nervtötende wie
nichtsbringende Nabelschau bevor. Aber Merkel ging es nicht darum,
die Wünsche des CSU-Chefs zu erfüllen – sondern eine Kernspaltung mit
einer unkontrollierbaren Kettenreaktion in der Koalition zu
verhindern.
Walther Schneeweiß
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