Rheinische Post: Merkel-Alarm

Ein Kommentar von Martin Kessler:

Sie hat Nerven wie Drahtseile – und doch dürften die kommenden
Monate für Kanzlerin Angela Merkel zu einem Härtetest der besonderen
Art werden. Die CDU-Chefin hat seit 2009 bei elf Landtagswahlen in
Folge nicht ihr in Berlin regierendes Bündnis ins Ziel gebracht, sie
hat vier Mal ihr Kabinett umgebildet, und sie führt eine Koalition,
in die auch nach drei Jahren einfach keine Ruhe einkehren will. Mit
der Entlassung des Rheinländers Röttgen hat sie einen harten Schnitt
vollzogen, ihre Probleme aber nicht gerade verringert. Ausgerechnet
der größte Landesverband der CDU schmollt der Kanzlerin. Und vielen
Parteifreunden stößt übel auf, dass scheinbar erst der TV-Ausraster
von CSU-Chef Seehofer den Sinneswandel Merkels in Bezug auf ihren
talentiertesten Minister bewirkt hat. Da wird sie viel erklären
müssen. Mit dem für nächste Woche geplanten Koalitionsgipfel ist es
jedenfalls nicht getan. Man kann Merkel verstehen. Sie will sich den
Rücken frei halten für die Bewältigung der Euro-Krise. Die
Innenpolitik mit Themen wie Energiewende, Steuerreform oder
Betreuungsgeld überlässt sie anderen. Das rächt sich jetzt. Auch wenn
Europa in Flammen steht, darf sie zu Hause nichts anbrennen lassen.
Sonst ist ihre Wiederwahl wirklich gefährdet.

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