Leipzig/Magdeburg. Die Bischöfin der Evangelischen
Kirche Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, bietet eine
Vermittlerrolle der Kirche im eskalierenden Streit in Insel an. „Ich
bin sehr besorgt über die Situation. In Insel steht mehr auf dem
Spiel als das Miteinander im Dorf. Gefragt ist die Kultur eines
Miteinanders, das nach schwerem Fehlverhalten dennoch einen neuen
Anfang möglich macht“, sagte Junkermann der „Leipziger Volkszeitung“
(Mittwoch-Ausgabe). Dazu wolle die Kirche ihren Beitrag als Moderator
notwendiger Gespräche leisten. „Ich hoffe, dass es uns als
evangelischer Kirche in dieser eskalierten Situation gelingt, erneut
zu Gesprächen und Verständigungen einzuladen und gemeinsam einen Weg
zu finden, der die offensichtlichen Ängste ernst nimmt“, so
Junkermann.
Ihr sei auch klar, so Junkermann weiter, dass vorhandene Ängste
nicht einfach verschwinden durch Verweise auf die Rechtslage oder
moralische Appelle. Trotzdem gebe es keine Alternative zu einem neuen
Dialog-Versuch. „Nur Gespräche können wesentlich dazu helfen, mit
diesen Ängsten umgehen zu lernen. Angefragt ist eine Kultur des
Miteinanders, das nach schwerem Fehlverhalten dennoch einen neuen
Anfang möglich macht.“
Das Angebot eines Kirchenasyls für die beiden entlassenen
Straftätern ist nach Ansicht Junkermanns dagegen kontraproduktiv.
„Auch Kirchenasyl eröffnet keinen rechtsfreien Raum. Wo es in
Gemeinden organisiert wird, geschieht das, um Asylsuchenden mit
begrenzter zeitlicher Perspektive Raum zu verschaffen, damit ihre
Rechte überprüft und umgesetzt werden können. Darum geht es in Insel
nicht. Deshalb wäre ein Kirchenasyl kaum in der Lage, das Problem
lösen zu helfen.“ Junkermann verwies darauf, dass es alternativ
christliche Wohngemeinschaften und Initiativen gebe, die Menschen,
die aus der Haft entlassen worden sind, aufnehmen. „Aber das müssen
alle Beteiligten für sich wollen. Die beiden Bewohner von Insel
wollen das nicht. Ein Kirchenasyl würde in diesem Fall also gerade
denen Recht geben, die ihnen ihre Bürgerrechte absprechen wollen.“
Zu den Übergriffen von Neonazis in Insel verlangt die Bischöfin
klare Distanz und Widerstand in Insel. „Wenn Menschen mit
rechtsextremer Gesinnung von außen zum wiederholten Mal in Insel ganz
gezielt versuchen, Sorgen und Ängste von Dorfbewohnern für ihre
menschenverachtende Propaganda zu benutzen, dann verlangt das klaren
Widerspruch. Und ich bin froh, dass viele Menschen in Insel auch
bemüht sind, sich von diesen rechtsextremistischen Trittbrettfahrern
deutlich abzugrenzen.“ Es sei allerdings ebenso deutlich, wie wenig
überzeugend dies insgesamt gelingt. Wer Allianzen mit Rechtsextremen
billigend in Kauf nimmt, müsse sich jedoch fragen lassen, welche
Folgen dieses Handeln für unser Zusammenleben hat.
Dass Insel Symbol einer neuen sozialen Kälte in Deutschland werden
könnte, befürchtet Junkermann zwar noch nicht. „Sorge macht mir
allerdings, wie sehr eine Haltung zunimmt, die ausschließlich eigene
Interessen zum Maßstab des Handelns macht und die Angst als einen
Wert erscheinen lässt, der alle möglichen Grenzüberschreitungen
gegenüber anderen zu rechtfertigen scheint.“ Natürlich sei das
Verlangen nach Sicherheit ist ein legitimes Bedürfnis. Es müsse
allerdings seine Grenze im Recht finden, das für alle gilt. „Es
findet seine Grenze überall dort, wo es eingreifen will in die Rechte
anderer Menschen. Dieses Aufeinander-Bezogensein von eigenen
Interessen und denen anderer haben wir immer wieder neu zu
buchstabieren. In Insel, in Deutschland, überall auf der Welt.
Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion
Telefon: 0341/218 11558