Westdeutsche Zeitung: Betreuungsgeld = von Martin Vogler

Kurz bevor sich am Freitag der Bundestag mit
dem Betreuungsgeld – von Gegnern abschätzig Herdprämie genannt –
beschäftigt, wächst der Widerstand. Das vor allem von der CSU und
Teilen der CDU vorangetriebene Projekt könnte noch wackeln.
Ausschlaggebend wären neben den Gegenargumenten der Opposition und
der Skepsis des Koalitionspartners FDP das wachsende Unbehagen in der
Union selbst. Die Einladung der Kanzlerin für eine Reihe CDU-Frauen
zum Gespräch am Donnerstag lässt nur eine Deutung zu: Sie will
mögliche Abweichler auf Linie bringen. Angela Merkels Hauptargument
dürfte die Koalitions- und Fraktionsdisziplin sein. Denn ansonsten
kann sie nur für das Betreuungsgeld plädieren, wenn sie ein zumindest
in städtischen Regionen weitgehend überholtes Familienbild zu Grunde
legt. In ländlichen Gegenden – wie oft in Bayern – kann die Zahlung
sinnvoll sein: In der intakten Familie wird das Kind von Eltern und
Großeltern optimal gefördert, es bleibt bis zum Kindergartenalter zu
Hause. Damit spart der Staat Geld für Krippenplätze und belohnt diese
„Musterfamilie“ ab kommendem Jahr mit monatlich 100 Euro und ab 2014
sogar mit 150 Euro. Allerdings wiegen die Argumente der Gegner, die
durch die jetzt vorliegenden Erfahrungen aus Norwegen erhärtet
werden, schwer. Kindern aus bildungsfernen und von Migration
geprägten Haushalten droht schon in extrem jungen Jahren der
erhebliche Nachteil, dass sie nicht in die Krippe geschickt werden,
weil ihre Eltern lieber den zusätzlichen Geldsegen einstreichen. Der
Staat würde die Chancengleichheit der Kinder mit Füßen treten und
auch den Müttern eine weitere Hürde zur Aufnahme eines Berufs in den
Weg legen. Bei ausländischen Mitbürgern würde das Betreuungsgeld
zudem der Integration schaden, weil der Nachwuchs von der deutschen
Kultur ferngehalten würde. So ehrenwert das Anliegen Betreuungsgeld
vor allem aus bayrischer Sicht ist – es wäre besser, es nicht
einzuführen. Entscheidend sein wird jetzt, wie sich Angela Merkel
verhält. Denn sie hat schon öfter bewiesen, dass sie dank ihres
politischen Instinkts ihre Position zügig wechseln kann. Beim
Betreuungsgeld bekäme sie allerdings ein Riesenproblem mit Horst
Seehofer.

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