Deutsche Umwelthilfe: Stromnetzbetreiber wollen „Übertragungsnetz für alle Fälle“

Pressemitteilung

DUH-Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan lobt neue Form der
öffentlichen Netzplanung und kritisiert Tendenz zu „so viel Netz wie
möglich, statt so viel Netz wie nötig“ – Bei beantragtem Ausbau ist
auch Rückkehr zum alten Stromsystem möglich – Leiter Erneuerbare
Energien Peter Ahmels: „Priorisierung der geplanten Trassen
entscheidend für Akzeptanz“ – Energiemarktgetriebene Modellierung
führt zu unrealistischer Auslastung fossiler Kraftwerke

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat das
Konsultationsverfahren zum Um- und Ausbau der Stromnetze im Rahmen
der Energiewende als fortschrittlich gelobt. Gleichzeitig wirft die
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation den Netzbetreibern vor, ein
zukünftiges Stromnetz anzustreben, dass zwar die Energiewende
ermöglicht, aber ebenso die Rückkehr zu einem zentralistischen
Stromsystem auf Basis großer Kohlekraftwerke.

„Der gesetzliche Auftrag der Übertragungsnetzbetreiber ist es, auf
Basis des vorgegebenen Szenariorahmens ein Stromnetz für die
Energiewende zu konzipieren“, sagte Peter Ahmels, der Leiter
Erneuerbare Energien der Deutschen Umwelthilfe. Hier schieße der
Entwurf der Netzbetreiber teilweise über das Ziel hinaus. Da
angesichts sich ständig ändernder technischer und
energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen niemand im Detail sagen
könne, welche Stromtrassen unverzichtbar seien, komme es jetzt darauf
an, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben einen offenen
Prozess zu organisieren, der Korrekturmöglichkeiten möglichst lange
offenhalte. Ahmels: „Dafür brauchen wir eine klare Priorisierung der
vorgeschlagenen Trassen.“ Ohne eine solche Priorisierung und den
eindeutigen Nachweis der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit jeder
Trasse sei Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu erreichen.

Als Beispiele für die Tendenz der Übertragungsnetzbetreiber, eher
nach der Maxime „so viel Netz wie möglich, statt so viel Netz wie
nötig“ zu handeln, nannte Ahmels die Wahl des außergewöhnlich
windreichen Jahres 2007 als Basis für ihre Berechnungen, die
Nicht-Berücksichtigung der Tatsache, dass niemals alle
Erneuerbare-Energieanlagen gleichzeitig ins Netz einspeisen und
fehlende Analysen des reduzierten Netzausbaubedarfs, falls auf die
Einspeisung absoluter Spitzeneinspeisungen verzichtet würde. So könne
sich der Netzausbaubedarf um immerhin etwa zehn Prozent reduzieren,
wenn auf nur zwei Prozent der im Jahr von Windrädern erzeugten
Stromenge verzichtet würde.

Nach Überzeugung der DUH berücksichtigen die
Übertragungsnetzbetreiber zu wenig tendenziell den Netzbedarf
entlastende Übertragungstechniken wie so genannte
Hochtemperaturleiterseile und netzentlastende Effekte durch
technologische Entwicklungen, wie Speicher oder Smart Grids, die sich
vor allem in dem bis 2032 reichenden Leitszenario B 2032 des
Szenariorahmens zeigen müssten. „Es gibt in dem Entwurf der
Netzbetreiber leider nur wenige Hinweise auf Bemühungen zur konkreten
Einsparung von Übertragungskapazitäten“, erläuterte Anne Palenberg,
Projektmanagerin für Netzintegration bei der DUH. Sie begrüßte, dass
die Netzbetreiber die besonders effektive Technik der
Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) in dem Planentwurf
eindeutig als neue Säule des Übertragungsnetzes der Zukunft
einbeziehe, auch wenn möglicherweise nicht alle vier vorgesehenen
HGÜ-Stromautobahnen im Betrachtungszeitraum notwendig seien.

Fragen werfen nach Überzeugung der DUH auch die von den
Netzbetreibern gewählte Modellierung der Energiemarktsimulation auf,
auf deren Basis der Netzbedarf berechnet wurde. Einerseits führt
dieses Marktmodell offenbar zu einer immer höheren Jahresauslastung
der verbliebenen Kohlekraftwerke, obwohl deren Volllaststundenzahl in
der Realität und nach den Prognosen zahlreicher Studien mit
zunehmender Einspeisung aus Erneuerbaren Energien ständig sinkt.
Außerdem ergibt das Modell praktisch keinen Effekt auf den
Netzausbaubedarf, wenn die von der Bundesregierung angestrebte
Reduzierung des nationalen Strombedarfs tatsächlich eintritt.

Die DUH lobte das Konsultationsverfahren, das im Prinzip einen
großen Fortschritt gegenüber der früheren „Geheimniskrämerei“ bei der
Netzplanung darstelle. Allerdings gelinge es bisher insbesondere
wegen der Komplexität der Materie, diejenigen rechtzeitig und
systematisch in die Diskussionen einzubeziehen, die am Ende vom
Netzausbau betroffen seien. Hier bedürfe es weiterer öffentlicher
Hilfestellung. Die DUH kündigte an, hierzu nach Abschluss des
laufenden Verfahrens Vorschläge zu unterbreiten.

Die Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan Strom 2012 finden Sie
hier:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2885

Pressekontakt:
Dr. Peter Ahmels, Leiter Erneuerbare Energien, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867 91; Mobil: 0151 16225863; E-mail:
ahmels@duh.de

Anne Palenberg, Projektmanagerin Netzintegration, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867 961; Mobil: 0151 40249440; E-Mail:
palenberg@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0; Mobil: 0171 5660577; E-Mail:
rosenkranz@duh.de