Spitzenausgleich im Bundestag: Deutsche Umwelthilfe warnt vor Steuergeschenken „für lau“

Pressemitteilung

EU soll Pläne der Bundesregierung zur Ökosteuer-Entlastung von
Teilen des produzierendes Gewerbes stoppen – Steuermindereinnahmen
des Bundes in zweistelliger Milliardenhöhe praktisch ohne ökologische
Gegenleistungen der begünstigten Unternehmen – DUH fordert Fraktionen
auf, die Regierungspläne schon im Bundestag scheitern zu lassen

Anlässlich der ersten Lesung der Gesetze zur Weiterführung des so
genannten Spitzenausgleichs am heutigen Donnerstag hat die Deutsche
Umwelthilfe e. V. (DUH) die Fraktionen des Bundestags und die
EU-Kommission aufgefordert, sich dem Coup der Bundesregierung zur
milliardenschweren Steuerentlastung von Teilen des produzierenden
Gewerbes zu verweigern. Die DUH hatte schon im August detailliert
nachgewiesen, dass die Bundesregierung im Rahmen der
Ökosteuerentlastung rund 23.000 Unternehmen praktisch ohne
Gegenleistung bei der Energieeffizienz um weit mehr als 20 Milliarden
Euro über zehn Jahre entlasten wolle.(1) Nach Überzeugung der DUH
verstößt das Regierungsvorhaben gegen das EU-Beihilfe- und
Energiesteuerrecht, das derartige Steuerentlastungen von realen
ökologischen Gegenleistungen abhängig macht.

„In Zeiten des Klimawandels und der chronisch klammen Haushalte
passen Milliardengeschenke an die Industrie ohne konkrete und
verpflichtende Klimaschutzmaßnahmen auch politisch nicht in die
Landschaft. Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung sich
im Vorwahljahr bei der Industrie als beste Alternative andienen
will“, erklärte die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH,
Cornelia Ziehm. Dabei würden die Lasten von Energiewende und
Klimaschutz wie schon bei der EEG-Umlageentlastung der
energieintensiven Industrie systematisch auf die privaten Haushalte
und den Mittelstand verschoben.

In Schreiben an die EU-Kommissare Connie Hedegaard (Klimaschutz)
und EU-Algirdas Semeta (Steuern) fordert die DUH, die geplante
Fortführung des deutschen Steuer-Spitzenausgleichs für
energieintensive Unternehmen ab 2013 als unzulässige Beihilfe
abzulehnen. Die von der Bundesregierung im Sommer im engen
Schulterschluss mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)
ausgehandelte Weiterführung des Spitzenausgleichs ab 2013 erhalten
die rund 23.000 Unternehmen entgegen öffentlichen Beteuerungen der
Bundesminister Philipp Rösler (FDP) und Peter Altmaier (CDU)
praktisch für lau.

Eine mit BDI und BDEW flankierend abgeschlossene „Vereinbarung zur
Steigerung der Energieeffizienz“ dient nach Überzeugung der DUH
einzig dem Zweck, eine Gegenleistung zu suggerieren, die es real
nicht gibt. Die in der Vereinbarung vorgesehenen Regelungen zur
Verbesserung der Energieeffizienz halten nach Informationen der DUH
selbst Regierungsmitglieder für so unambitioniert, dass sie nicht
einmal den Trend der vergangenen Jahre erreichen. Durch die bis 2022
anstehende Abschaltung der verbleibenden Atomkraftwerke und den
parallelen Zubau von Wind- und Solarenergiekraftwerken wird die
Industrie darüber hinaus schon aufgrund eines statistischen Effekts
bei der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz scheinbar
„energieeffizienter“ – ganz von allein, ohne dass dafür irgendeine
reale Maßnahme notwendig wäre.

„Die Fortführung des Spitzenausgleichs in der vorgesehenen Form
würde nicht nur die Steuerzahler binnen zehn Jahren weit über 20
Milliarden kosten. Die Milliarden würden zudem nicht die Spur eines
über den Trend hinausgehenden Fortschritts beim Klimaschutz
generieren. So etwas nennt man gemeinhin eine Mogelpackung“, sagte
Gerd Rosenkranz, der Leiter Politik und Presse bei der DUH. Er
forderte insbesondere die Energiewendeanhänger in den
Regierungsparteien auf, der geplanten Regelung im Bundestag nicht
zuzustimmen.

(1) http://www.duh.de/uploads/media/DUH-Hintergund__Spitzenausglei
ch_20120823.pdf

Die Briefe an die EU-Komissare Hedegaard und Semeta finden Sie
hier:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2934

Hintergrund: Der Spitzenausgleich

Im Jahr 1999 wurde die Ökosteuer eingeführt. Einen Teil der
resultierenden Einnahmen überweist der Bund der gesetzlichen
Rentenversicherung. Dadurch sparen die Arbeitgeber
Versicherungsbeiträge. Die für bestimmte Produktionsprozesse
benötigte Energie ist allerdings von vornherein vollständig oder
teilweise von der Ökosteuer befreit. Weil die entsprechenden Betriebe
keine Ökosteuer oder nur einen reduzierten Satz zahlen, aber trotzdem
Rentenbeiträge einsparen, profitieren sie per Saldo von der Ökosteuer
– ohne einen zusätzlichen Umweltnutzen zu erbringen. Es gibt aber
auch Unternehmen, die mehr Ökosteuer zahlen, als sie an
Rentenversicherungsbeiträgen einsparen. Hier greift der so genannte
Spitzenausgleich. Er ist eine Steuerbegünstigung für energieintensive
Nutzer im produzierenden Gewerbe und gekoppelt an die Entwicklung des
Arbeitsgeberanteils an den Rentenversicherungsbeiträgen. Er soll
sicherstellen, dass die Energiesteuerbelastung für die Industrie
nicht wesentlich über der Ermäßigung liegt, die durch die
Verringerung des Arbeitgeberanteils an den
Rentenversicherungsbeiträgen erzielt wird. Konkret werden denjenigen
Betrieben, die den Spitzenausgleich in Anspruch nehmen 90 Prozent der
Differenz zwischen gezahlter Ökosteuer und eingesparten
Rentenversicherungsbeiträgen erstattet. 2012 entspricht das in der
Summe voraussichtlich einem Volumen von 2,3 Milliarden Euro.

Pressekontakt:
Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0160 94182496;
E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-21, Mobil:
0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de