Allg. Zeitung Mainz: Nie mehr „Mädche“ / Kommentar zu Angela Merkel

Sie ist schon ein Phänomen, diese Angela Merkel. Zu
Beginn ihrer Politik-Karriere (West) gnadenlos unterschätzt, als
Kohls „Mädche“ belächelt. Das erste große Erstaunen, als sie ihren
Entdecker eiskalt ins Abseits stellte, ihm via Zeitungskommentar
mitteilte, er werde nicht mehr gebraucht als Chef der CDU. Einstige
Konkurrenten: Geschichte. Edmund Stoiber, Roland Koch, Christian
Wulff, Jürgen Rüttgers, Peter Müller – eine stattliche Riege.
Vermutlich rührt auch daher ein Gutteil von Respekt. Wer sich gegen
so viele ehrgeizige Männer durchsetzt… Vor 20 Jahren argumentierten
Skeptiker: Frau, aus dem Osten, unverheiratet, kinderlos – das kann
nicht gut gehen. Doch die angeblichen Mankos blieben irrelevant, etwa
die Kinderlosigkeit, oder erwiesen sich im Lauf der Zeit als Stärken.
So lautet das Positiv-Fazit 2012:Angela Merkel ist eine Frau,
gelernte Naturwissenschaftlerin, und sie wurde in der DDR
gesellschaftlich sozialisiert. Bedeutet: Merkel kann sich in den
allermeisten Fällen auf ihren Instinkt verlassen, sie hat
ausgezeichnete Nerven und ist im Zweifel lern- und leidensfähig. All
das kann sie gerade jetzt in der Eurokrise effizient in die
Waagschale werfen. Selbst ihre Wendigkeit, die ihr Kritiker als
Opportunismus ankreiden, lässt sich in schweren Zeiten wie diesen als
Tugend instrumentalisieren:Ohne ein Höchst-, vielleicht auch Übermaß
an Flexibilität ist das alles wohl nicht auszuhalten. Sie profitiert
auch davon, dass in der eigenen Partei keine personelle Alternative
erkennbar ist und sich die SPD noch nicht traut, Steinbrück auf den
Schild zu heben. Merkel ist vertrauenswürdig – als Krisenmanagerin.
Ob sie je Gelegenheit bekommt, in Nicht-Krisenzeiten mit Prinzipien
und langfristigen Strukturen zu überzeugen, steht in den Sternen.

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Florian Giezewski
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