In den USA ist es gang und gäbe, und die
französischen Sozialisten haben es ebenfalls getan: Die
Spitzenkandidaten für den Wahlkampf werden nicht im Hinterzimmer
ausgemauschelt oder durch den Parteivorsitzenden bestimmt, sondern
demokratisch gewählt – von den Mitgliedern der jeweiligen Partei und
manchmal auch von den Sympathisanten. In Deutschland scheuen sich die
Parteien auf Bundesebene vor solchen urdemokratischen
Willensbekundungen. Die Grünen im Bund könnten jetzt vorpreschen,
eine Lanze für die Basisdemokratie brechen und auf ihrem kleinen
Parteitag am 2. September eine Urwahl einleiten. Die Voraussetzung
ist geschaffen. Für die zwei Spitzenkandidaturen beim
Bundestagswahlkampf 2013 gibt es sechs Bewerber: Zwei unbekannte
Basisvertreter, die beiden Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate
Künast, die Parteichefin Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt,
Vizepräsidentin des Bundestags. Dass der derzeit beliebteste Grüne
nicht zum Kreis der Bewerber gehört, ist ein kleiner
Schönheitsfehler, doch Winfried Kretschmann fühlt sich als
Ministerpräsident in Baden-Württemberg gebunden. Eine Urwahl führt
dazu, dass es Unterlegene gibt; das gehört zum demokratischen Prozess
dazu. Doch die Wahl deshalb zu unterlassen ist keine gute
Alternative. Katrin Göring-Eckardt möchte am liebsten auf die Urwahl
verzichten, weil sie „nach innen gerichtet ist“. Doch ein offenes und
faires Verfahren kann im Gegenteil auch belebend und motivierend
wirken. Das war etwa bei den Sozialisten in Frankreich der Fall.
Nein, Göring-Eckardts Bedenken wirken kleinmütig und sollen wohl die
Angst vor einer Niederlage kaschieren. Vielleicht macht eine Urwahl
bei den Grünen auch anderen Parteien Lust auf mehr Demokratie. Bei
der SPD wünschen sich 82 Prozent einen Mitgliederentscheid zur
Kandidatenkür.
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