Trierischer Volksfreund: Grüne Basis soll über Spitzenpersonal entscheiden – Leitartikel Trierischer Volksfreund, 03.09.2012

Das Votum des kleinen Parteitages für eine
Mitgliederbefragung über das grüne Spitzenduo wird den Lauf der Welt
gewiss nicht verändern. Nur aus innerparteilicher Sicht ist der
Beschluss zur Findung zweier Topleute für die nächste Bundestagswahl
von Belang. Denn die wahren und vermeintlichen Alpha-Tiere in der
Partei vermochten sich partout nicht zu einigen, wer von ihnen im
Wahlkampf die erste Geige spielen soll. Das hat die Grünen über
Monate gelähmt. Nun wird die Sache entschieden.

Dabei fällt es schwer, grundlegende politische Differenzen
zwischen den einzelnen Aspiraten zu erkennen. Programmatisches
Neuland, ein Richtungswechsel gar, verbindet sich mit keinem der
Bewerber. Spöttisch könnte man behaupten, die einen halten für 2013
wieder tapfer die rot-grüne Fahne hoch, während andere wortreich
begründen, warum eine Regierungsbildung mit der Union praktisch
ausscheidet. Kein Wunder: Die Streithähne, die nun ins
Kandidaten-Rennen gehen, gehören ja auch fast ausnahmslos zum
Uralt-Inventar der Partei. Roth, Künast, Göring-Eckardt und Trittin –
das ist die inzwischen graue Garde der Grünen. Für eine Partei, die
stets von dem Anspruch beseelt ist, frisch und unkonventionell zu
wirken, eine erstaunliche Tatsache.

Bleibt die Frage, warum sich die Grünen so schwer damit tun,
kompetenten Nachwuchs nach vorn zu schieben. Nahe liegende Antwort:
Weil die alten Hasen nicht weichen wollen und den Jungen der Biss
fehlt. Die grüne Bundestagsfraktion ist dafür ein Paradebeispiel. Ob
Antje Hermenau, Matthias Berninger, Margareta Wolf oder zuletzt
Christine Scheel – gleich reihenweise sind dort gestandene
Persönlichkeiten ausgeschieden, um jenseits des bundespolitischen
Grünen-Betriebs ihr Karriere-Glück zu suchen. Dass dieser Aderlass
bislang keine bösen Folgen zeitigte, hängt mit einer besonderen
Eigenschaft der grünen Anhänger zusammen. Die Partei wird in erster
Linie wegen ihrer Inhalte gewählt, weniger wegen ihres Personals,
wenn man von der Ära des einstigen grünen Übervaters Joschka Fischer
einmal absieht. Auch das macht die krampfhafte Auswahl zweier
„Spitzenkandidaten“ so unverständlich.

Die aus dieser besonderen Wählereinstellung resultierende
Stabilität der Grünen war bisher übrigens auch ein Grund dafür, dass
ein Aufstand der Jüngeren gegen die Alten ausblieb. Doch das könnte
sich noch ändern. Dann nämlich, wenn die Partei nach der nächsten
Bundestagswahl wieder in der Opposition landen sollte. Es wäre das
dritte Mal in Folge. Wenn sich die Altvorderen jetzt so wichtig
nehmen und den Wahlkampf zum vermeintlich eigenen Vorteil
personalisieren, dann müssen sie – Ironie der Geschichte – auch in
Kauf nehmen, dass sich die Basis an ihnen schadlos hält, wenn die
Sache schief geht. Das gestern beschlossene Mitgliedervotum wäre
demnach nur ein Fingerzeig, wer in besagtem Fall das Feld zuerst
räumen muss. Vielleicht sogar alle gemeinsam.

Pressekontakt:
Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
Telefon: 0651-7199-544
t.zeller@volksfreund.de