Schwäbische Zeitung: Starke Türkei – Kommentar

Deutsche Industrielle fordern schon lange den
EU-Beitritt der Türkei. Nun macht sich auch Ministerpräsident
Kretschmann dafür stark. Das ist freundlich gemeint, und doch
schwingt ein gönnerischer Unterton mit: Für ihn scheint es
selbstverständlich, dass die Türken ins Schlaraffenland Europa
streben. Warum aber sollte Europa ihr Sehnsuchtsort sein?

Die Türkei erlebt gerade ein Wirtschaftswunder – und zwar aus
eigener Kraft. Ihre Wirtschaft wuchs 2011 so stark wie die Chinas,
der Aktienmarkt hat seit Jahresbeginn 30 Prozent zugelegt. Das Land
blüht, auch weil es nicht im Korsett der Brüsseler Bürokratie steckt.
Wenn Premier Erdogan anatolische Bauern alimentieren oder
Trabantenstädte bauen will, kann er das tun, ohne Brüssel um
Erlaubnis zu fragen. Er kann sich Alleingänge erlauben, die ihm in
Europa verwehrt blieben. In einem sklerotischen EU-Gebilde, das um
Rettungsfonds und Milchquoten ringt, wäre das Wirtschaftswunder am
Bosporus kaum möglich gewesen.

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