Nur eine Übergangslösung
Keine der fünf Fraktionen des Bundestages ist restlos glücklich
über das Modell, das jetzt als Blaupause für die notwendige
Wahlrechtsreform dienen soll. Unser Wahlsystem, eine Mischung aus
Mehrheits- und Verhältniswahl, ist nämlich nur auf dem Stimmzettel
eine einfache Angelegenheit: Jeder wahlberechtigte Bürger hat zwei
Stimmen, die eine für den Kandidaten, die andere für die Partei.
Kompliziert wird es bei der Verteilung der Mandate, da gerät die
repräsentative Demokratie rasch zur höheren Mathematik. Weil aber das
Wahlvolk ein Recht darauf hat, dass sein Votum nicht durch filigrane
Rechenkunststücke verfälscht wird, muss sich die Politik um ein
Wahlrecht bemühen, das den Mehrheitswillen auf die bestmögliche Weise
widerspiegelt und jeden Eindruck von Manipulation vermeidet. Dass
eine solche Lösung nur als Konsens über die Parteigrenzen hinweg zu
haben ist, mussten Union und FDP auf dem Umweg über das
Verfassungsgericht in Karlsruhe erst lernen. Spät kommt diese
Einsicht, aber gerade noch früh genug vor der nächsten
Bundestagswahl. Dennoch wird das Wahlrecht auch in der kommenden
Legislaturperiode eine Baustelle bleiben. Durch den Ausgleich der
Überhangmandate wird das Parlament nämlich erneut größer,
wahrscheinlich um rund 50 Sitze. Deshalb wird der Bundestag nicht an
einer weiteren Reform vorbeikommen – seiner eigenen Verkleinerung.
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Lothar Tolks
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