neues deutschland: Phänomen Merkel: Bestnote

Inzwischen ist es langweilig geworden, zur
Erklärung des Phänomens Merkel immer wieder deren DDR-Vergangenheit
zu strapazieren. Selbst wenn ihr Wahlergebnis als CDU-Chefin in der
siebten Auflage nur noch wenig von den einst vielbelächelten 100
Prozent entfernt ist und die Art, wie bei der CDU gezählt wird, auch
nicht so ganz sauber ist. Doch viel interessanter als die frühere
Sozialisation von Angela Merkel ist doch die heutige ihrer westlichen
Parteifreunde. Ursula von der Leyen zum Beispiel, bekanntlich aus
altem niedersächsischen christdemokratischen Geschlecht stammend,
überraschte gestern im Frühstücksfernsehen mit einer
Ergebenheitsadresse an die Kanzlerin, die sich vom vielgescholtenen
Personenkult kaum unterschied. Und wie Niedersachsens
Ministerpräsident David McAllister sein Bekenntnis in den
Parteitagssaal rief: »Wir stehen wie eine Eins hinter Dir«, dürfte
das vermutlich selbst die CDU-Chefin an ihre ach so finstere FDJ-Zeit
erinnert haben. Die Kanzlerin nahm all die Huldigungen gern entgegen.
Für das Wahljahr ist sie mit der Bestnote des Parteitages gut
ausgestattet. Weder der parteiinterne »Berliner Kreis«, noch die
»Wilden 13« oder die »Wahlalternative« können mit ihrem Murren über
mangelndes konservatives Profil oder fehlende Modernität daran etwas
ändern. Gerade weil Merkel besser als manch anderer nicht nur um das
Verfallsdatum von Gefolgschaften weiß, sondern auch die harten
Bandagen ihrer Parteifreunde studiert und kopiert hat, wird sie
weiter auf der Hut sein – und inhaltlich zwischen allen Stühlen
lavieren.

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