Die vor rund eineinhalb Jahren unter dem
Eindruck des Fukushima-Unglücks ausgerufene Energiewende kann in
Deutschland nur gelingen, wenn alle Beteiligten, also Bürger,
Wirtschaft, Politik, Verbände, Bund und Länder an einem Strang ziehen
– und das möglichst auch noch in eine Richtung. Das quälende Hickhack
um die Förderung der Gebäudesanierung ist leider ein Beispiel dafür,
wie es nicht gehen sollte. Fast eineinhalb Jahre haben sich Bund und
die Rot-Grün regierten Länder darüber gestritten, wie ein kräftiges
Förderprogramm für die energetische Sanierung, für die Dämmung von
Gebäuden, für neue Heizungen oder gut isolierte Fenster, finanziert
werden könnte. Der Bund wollte Hauseigentümern durch kräftige
Abschreibungsmöglichkeiten zu Investitionen anspornen. SPD und Grüne
lehnten dies aus vorwiegend ideologischen Gründen ab. Auch das
Argument der Praktiker, dass die Länder unter dem Strich nichts
zuschießen müssten, sondern über höhere Steuereinnahmen sowie mehr
Jobs sogar ein Plus machen würden, überzeugte nicht. Nun hat der Bund
ein Zuschussprogramm aufgelegt, das jedoch nur die zweitbeste Lösung
ist. Ein größerer Wurf zur Einsparung von Energie und damit von
weniger Treibhausgasen ist im politischen Kleinklein gescheitert. Ein
gutes Omen für die noch viel größeren weiteren Herausforderungen der
Energiewende war das Geschacher um die Gebäudesanierung gewiss nicht.
Gestern gaben sich die beiden zuständigen „Wende-Minister“ Peter
Altmaier und Philipp Rösler ordentlich Mühe, das politische
Management der gigantischen Energie-Umwälzung rosarot zu malen. Man
sei ein gutes Stück vorangekommen, klopften sich beide Politiker auf
die Schulter, die sich in den Monaten zuvor im Wirrwarr von
Zuständigkeiten und Gesetzen, von Prognosen, Netzen und Gebühren
gehörig gerauft hatten. Ganz nach der Art der Kanzlerin lieben es
Rösler und Altmaier, sich in Ankündigungen und immer neuen Foren und
Gipfeln zu ergehen. Allerdings fehlt es den zahllosen Energiegipfeln
in Deutschland derzeit an beherzten Gipfelstürmern. Dies sind weder
der Wirtschafts-, noch der Umweltminister. Rösler gibt den besorgten
Anwalt wider die steigenden Energiepreise und wirft kräftig Sand ins
Getriebe der Erneuerbaren. Altmaier wiederum versucht händeringend,
die boomenden erneuerbaren Energien, vor allem die überförderte
Photovoltaik, zu bändigen und die Klimaschutzziele nicht aus dem
Blick zu verlieren. An beiden Protagonisten machen sich die tiefen
Widersprüche fest, die in der Energiewende hart aufeinander treffen:
Atomkraft, Kohle und Gas gegen Wind- und Solarkraft oder Bio-Energie.
Nord-Länder mit großen Offshore-Windpark-Kapazitäten gegen Süd-Länder
mit hohem Strombedarf. Netzbetreiber gegen Energieerzeuger. Private
Verbraucher gegen große Stromkunden mit satten Rabatten. Strompreise
gegen Versorgungssicherheit und der Vorsorge vor einem Blackout.
Notwendiger Leitungsausbau gegen die Bürgerinteressen vor Ort. Die
Crux an der Energiewende ist, dass genau diese vielen gravierenden
Interessengegensätze vereint werden, dass wahnsinnig viele Zahnräder
ineinandergreifen müssen. Das Problem der langfristig angelegten
Energiewende ist auch, dass sie von kurzatmiger Politik gemanagt
wird, die eher nach Wahlterminen schielt, statt sich an langfristigen
Linien und Notwendigkeiten zu orientieren.
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