Badische Neueste Nachrichten: Befremdlich

Thomas de Maizière macht es sich zu leicht. Mit
ein paar neuen Unterkünften und einem besseren Essen ist es beim
Einsatz der Bundeswehr in der Türkei nicht getan. Wenn auch nur die
Hälfte von dem stimmt, was die Soldaten dort dem Wehrbeauftragten
erzählt haben, haben die täglichen Konflikte in Kahra-manmaras ihre
Ursachen nicht nur in einem etwas orientalischen Verständnis von
Hygiene. Der Kern des Konfliktes liegt, wieder einmal, in einem sehr
türkischen Verständnis von internationaler Zusammenarbeit. Das
Angebot der Nato, mit „Patriot“-Staffeln aus den USA, den
Niederlanden und der Bundesrepublik die türkisch-syrische Grenze zu
sichern, haben Ministerpräsident Erdogan und seine Militärs gründlich
missverstanden. Die Spielregeln für diesen Einsatz bestimmen nicht
sie – sie sind hier, obschon im eigenen Land, nur ein Partner unter
mehreren. Genau das allerdings nagt erkennbar am Ego des
machtbewussten Premiers und seiner Generäle. Erst wollten sie die
Einheiten aus den anderen Ländern keck unter türkischen Oberbefehl
stellen, was die Nato aus guten Gründen nicht zugelassen hat. Nun
versuchen sie, vor Ort Fakten zu schaffen und behandeln die deutschen
Soldaten offenbar wie Kollegen zweiter Klasse. Vor diesem Hintergrund
wirkt die demonstrative Freundlichkeit, die Angela Merkel bei ihrem
Besuch in der Türkei vor gut einer Woche an den Tag gelegt hat, noch
befremdlicher. Ob beim EU-Beitritt, dem Streit um die doppelte
Staatsbürgerschaft oder jetzt, beim Einsatz der Bundeswehr in
Kahramanmaras: Es liegt nicht an der Bundesregierung, dass die
Probleme kumulieren. Den Mut, dies Erdogan auch so deutlich zu sagen,
hatte die Kanzlerin bisher allerdings nicht.

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Klaus Gaßner
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