Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Zyperns Absturz Sachlich, aber hart bleiben CARSTEN HEIL

Verhaltensforscher wissen es längst: Die
überwiegende Mehrheit aller von Menschen getroffenen Entscheidungen
werden aus dem Bauch heraus, also entsprechend den Emotionen gefällt.
Nur ein kleiner Teil basiert wirklich auf rationalen, vernünftigen
Erwägungen. Dabei halten sich die Menschen häufig für ausschließlich
vernunftgesteuert. Ein Irrtum. Was im Kleinen gilt, beim Kauf eines
Schokoriegels oder eines Staubsaugers zum Beispiel, ist im Großen
nicht viel anders: In der Zypern-Krise sind mehr Emotionen im Spiel
als sachliches Abwägen. Im zyprischen Parlament war in dieser Woche
viel von „Ehre“ zu hören. Und, dass man lieber untergehe, als vor
Europa zu Kreuze zu kriechen. Das hat mit Vernunft gar nichts mehr zu
tun. Denn die Folgen dieser Entscheidung – sollte sie denn Bestand
haben – führt zum Totalverlust von Guthaben, von denen die EU
lediglich knapp sieben bzw. knapp zehn Prozent gefordert hatte. Jeder
vernünftig handelnde Mensch gäbe lieber zehn Prozent seines Vermögens
ab als hundert. Auf Zypern ist die Stimmung aber so aufgeheizt, dass
dieses vernünftige Argument gar nicht mehr gehört wird. Kein Wunder,
dass auch in den Geberländern die Wut wächst, nicht die Vernunft.
Denn längst werden deutsche Sparer und Steuerzahler auch direkt für
die Hilfsaktionen zu Gunsten Griechenlands und Spaniens herangezogen.
Es wird nur nicht ausdrücklich so genannt. Der extrem niedrige
Zinssatz auf Guthaben in Deutschland bei höherer Inflation nagt an
den Vermögen im Lande. Natürlich geht es den Zyprern, die vor
geschlossenen Banken stehen, die nicht mehr an ihr Geld kommen,
schlechter als den deutschen Sparern. Aber warum soll der deutsche,
österreichische, finnische und niederländische Sparer die Zeche der
Zyprer zahlen, wenn die sich nicht mal angemessen beteiligen wollen?
Und die sogar russische und britische Großanleger schonen wollen? Der
Vorschlag, nun auch die zyprischen Rentenkassen hinzuzuziehen ist
indes nur noch dreist. Statt der wohlhabenden ausländischen
Geldanleger in Zypern (was der EU-Plan war) werden die kleinen
Rentner der Insel zur Kasse gebeten. Spätestens dieser Vorschlag ist
der Beweis, dass die Mittelmeerinsel von einer korrupten,
geldgierigen Elite beherrscht wird, die nicht zu Europa gehört.
Dieses Zypern braucht Europa nicht. Zypern ist nicht „to big to
fail“. Eine Pleite Zyperns risse Europa nicht in den Abgrund. Es wäre
vielleicht sogar ein heilsames Erschrecken. So wie die
Lehman-Brothers-Pleite 2008 deutlich gemacht hat, dass es in der
Finanzwelt so nicht weitergehen kann. Ein krachendes Ende des
zyprischen Bankensystems, das seit Jahren auf Kosten Europas lebt,
wäre auch für Griechenland, Spanien und Italien ein Warnsignal: Wer
über seine Verhältnisse lebt, bekommt ein Problem. Europa ist extrem
kostbar. Als Wirtschaftsgemeinschaft, aber auch als Werte- und
Friedensgemeinschaft. Das dürfen ein paar Verwirrte in Nikosia nicht
zerstören. Die EU muss sachlich und hart bleiben.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de