Nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa
herrscht europaweit tiefe Betroffenheit. Es gab diesmal zu viele
Opfer, als dass man einfach darüber hinwegsehen kann; wie es für
gewöhnlich geschieht, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. In
den vergangenen Jahren sind Tausende vor den Küsten des Kontinents
gestorben, auf den sie vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Armut
fliehen wollten. Diese Menschen sind gestorben, weil Europa sich
abschottet. Weil die Landwege rigoros dichtgemacht worden sind und
ihnen nur die gefährliche Fahrt über das Meer bleibt. Die Katastrophe
vor Lampedusa macht nicht nur traurig. Sie macht auch wütend. Wütend
auf eine europäische Asylpolitik, die in Flüchtlingen nicht in erster
Linie Menschen sieht, die Schutz suchen, sondern Sicherheitsprobleme
oder Schnorrer, die sich am westlichen Wohlstand laben wollen und ihn
bedrohen. Wütend auf die nationalen Egoismen der zentraleuropäischen
Länder, die jedwede Solidarität mit Ländern wie Griechenland, Italien
oder Malta verweigern, in denen die Flüchtlinge stranden. Wütend auf
die Gleichgültigkeit, mit der hingenommen wird, dass Flüchtlinge in
diesen Ländern in Lager interniert oder direkt wieder aufs Meer
hinausgetrieben werden. Wenn die Betroffenheit über das Drama nicht
nur Heuchelei ist, dann muss endlich etwas geschehen. Es braucht mehr
Bemühungen um die Verbesserung der Lebenssituation in den
Heimatländern der Flüchtlinge. Es braucht mehr Offenheit und
Solidarität in Europa. Es braucht ein europäisches
Seenotrettungssystem. Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr
den Friedensnobelpreis erhalten. Im Umgang mit Flüchtlingen kann sie
beweisen, dass sie ihn verdient hat.
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