Was ist nur in einige Theologen gefahren? Zum
Beispiel in Joachim Gauck. Am vergangenen Wochenende hat der
Bundespräsident erneut dafür geworben, dass sich Deutschland
militärisch stärker engagiert und schneller zu den Waffen greift.
Natürlich immer nur, um Menschenrechte durchzusetzen oder zu
verteidigen. Deutschland, so der ehemalige evangelische Pastor, müsse
mehr internationale Verantwortung übernehmen. Schwerter zu
Pflugscharen? Die alte Losung der DDR-Bürgerrechtsbewegung scheint
der Herr aus Schloss Bellevue längst verdrängt zu haben. Im Namen der
Menschenrechte hat es in den vergangenen Jahren mehrere militärische
Interventionen (weniger beschönigend ausgedrückt: Kriege) des Westens
gegeben. Beispielsweise im Irak, in Afghanistan oder in Libyen. Die
Resultate sind überaus ernüchternd. Der Irak steht nach mehr als 100
000 Toten inzwischen vor dem Zerfall, das Land ist zu einem
Tummelplatz für Extremisten geworden. Afghanistan konnte militärisch
bis heute nicht befriedet werden, droht nach Abzug der westlichen
Truppen sogar stärker denn je im Bürgerkrieg zu versinken. Und auch
Libyen ist immer noch meilenweit von einem Staatswesen entfernt, in
dem Frieden und Freiheit herrschen und Menschenrechte beachtet
werden. Wenn der Bundespräsident angesichts dieser Erfahrungen von
Militäreinsätzen als Ausdruck einer Verantwortungsethik
schwadroniert, ist das schon sehr befremdlich. Dabei könnte und
sollte die Bundesregierung sehr wohl international mehr Verantwortung
zeigen. Etwa durch eine radikale Beschränkung der deutschen
Waffenexporte. Oder durch eine größere Aufnahmebereitschaft gegenüber
Flüchtlingen zum Beispiel aus Syrien. Oder aber – viel
grundsätzlicher noch – durch eine Politik, die die Ursachen für
Konflikte, nämlich Hunger, Ausbeutung und Ausgrenzung, bekämpft.
Denn häufig sind gewaltsame Auseinandersetzungen, die von der einen
Seite religös verbrämt und von der anderen Seite als Kampf für
Menschenrechte deklariert werden, nichts anderes als Konflikte, bei
denen es vornehmlich um nackte Macht- und Wirtschaftsinteressen geht.
Zu Letzterem hat übrigens ein anderer Theologe etwas sehr
Bemerkenswertes gesagt. Papst Franziskus äußerte sich vor wenigen
Tagen gegenüber einer spanischen Zeitung zu unserem derzeitigen
„unerträglichen Wirtschaftssystem“. Wörtlich erklärte er: „Damit das
System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die
großen Imperien immer getan haben. Einen Dritten Weltkrieg kann man
jedoch nicht führen, und so greift man eben zu regionalen Kriegen.“
Sicher, wäre Franziskus Mitglied einer deutschen Partei, liefe er
wegen seiner immer radikaleren und grundsätzlicheren
Kapitalismuskritik nicht nur in der CDU schnell Gefahr, als
Linksextremist mit einem Ausschlussverfahren überzogen zu werden.
Trotzdem sollten wir den Analysen dieses Papst verstärkt Gehör
schenken. Aber was können wir Gauck schenken? Angesichts seiner
Bereitschaft zu „militärischen Lösungen“ doch wohl nicht einen
Panzer?
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