Allg. Zeitung Mainz: In der Pflicht / Kommentar zu Missbrauchsstudie

Aufklärung und Ahndung sexuellen Missbrauchs ist im
Rechtsstaat absolut zwingende Notwendigkeit, unabhängig davon, ob das
Verbrechen im häuslichen Umfeld geschah, in Schulen, anderen
öffentlichen Institutionen oder im Verantwortungsbereich der Kirche.
Es ist unsinnig, zu fragen, ob Missbrauch in der Kirche wegen des
herausragenden Vertrauens, das sehr viele Menschen dieser Institution
noch immer entgegenbringen, noch verwerflicher sei als in Familie
oder Schule. Eine Abscheulichkeit bleibt eine Abscheulichkeit. Wahr
ist allerdings, dass gerade die Kirche nach der Aufdeckung von
Missbrauch in ihren Grundfesten erschüttert wurde, viel Vertrauen
verlor – und in Teilen nicht angemessen reagierte. Das mag am Schock
gelegen haben, an Scham, vielleicht aber auch an einem
jahrhundertealten Verständnis, moralisch und auch rechtlich eine
Sonderstellung inne zu haben, dem weltlichen Staat nicht zwingend
verantwortlich zu sein. Dieses Verständnis ist nicht angemessen. Die
Situation wurde noch komplizierter, weil sich Kirchenvertreter lange
Zeit schwer taten – und sich in Teilen immer noch schwer tun – mit
der Aufklärung und auch damit, Opfer als solche anzuerkennen und
angemessen zu entschädigen. Vor diesem Hintergrund ist der Eklat, der
Bruch zwischen dem Kriminologen Pfeiffer und der Amtskirche, überaus
bedauerlich, aber keine Überraschung. Pfeiffer ist ein herausragender
Wissenschaftler und kompromisslos bei der Verfolgung von Zielen. Dass
von Kirchenseite gebremst wurde, ist, vorsichtig formuliert,
vorstellbar. Die Kirche ist eine wertvolle Institution im
gesellschaftlichen Zusammenleben. Umso mehr steht sie in der Pflicht,
Vertrauen zurück zu gewinnen. Sie muss nun umgehend darlegen, wie sie
sich Missbrauchsaufarbeitung künftig transparent und wirkungsvoll
vorstellt.

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Florian Giezewski
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