Jeder Parteitag ist eine Mischung aus viel
Krönungsmesse, viel Jubelarie, viel Seelenmassage und ein wenig
Klagemauer. Dass sich ein Parteitag selbst kasteit, war, wenn auch
selten, schon zu besichtigen, kann aber nicht ohne Weiteres erwartet
oder gar verlangt werden. Angela Merkel erwies sich gestern in
Hannover einmal mehr als Musterschülerin Helmut Kohls. Der erntete
seine größten Triumphe bei Parteikonventen meist dann, wenn er
vortrug, was alle schon wussten, jedoch mit so viel Enthusiasmus,
dass die Delegierten überaus gestärkt nach Hause fuhren. Wohl wahr:
Das einzig wirklich Neue, mit dem die CDU-Vorsitzende in Hannover
aufwartete, war ein überraschend deutliches Bekenntnis zu
Schwarz-Gelb. Ansonsten: eine enorm selbstbewusste Art von
Selbstreflexion, die allerdings legitim ist. Brisante Themen wie die
Mütterrente und die steuerliche Behandlung homosexueller
Lebensgemeinschaften wurden so entschärft, dass sie nicht wirklich
gefährlich werden konnten – zumindest nicht auf dem Parteitag. Klar
ist aber auch, dass der Kohlschen Kunst des Aussitzens heutzutage
engste Grenzen gesetzt sind. Merkel wird über kurz oder lang auch bei
den schwierigsten Themen „liefern“ müssen, um ihre eigene Diktion zu
verwenden. Stützen kann sie sich bislang ohne Zweifel auf faktische
Erfolge. Ihre Führungsrolle in Europa ist unbestritten. Und in
Deutschland drohen zwar im Zusammenhang mit der demografischen
Entwicklung riesige sozialpolitische Herausforderungen, aber alles in
allem ist die Bilanz der Kanzlerin Merkel bislang jedenfalls nicht
schlechter als etwa die des Kanzlers Schröder. Stützen will sich
Merkel auf einen Kreis von Mitstreitern und vor allem
Mitstreiterinnen, bei dem sie einen sehr eigenen, sehr strengen
Loyalitätsmaßstab anlegt. Zu diesem Kreis zählt seit gestern auch
Julia Klöckner. Das ist ein deutlicher Vertrauensvorschuss der
Bundespartei, denn eigentlich war Rheinland-Pfalz nicht prädestiniert
für eine Vize-Position. Auf der Rheinland-Pfälzerin ruhen große
Hoffnungen der CDU, im Land und auch auf Bundesebene. Bei der
Landtagswahl 2011 hätte Klöckner um ein Haar die SPD Kurt Becks
überflügelt. Das will schon eine Menge sagen. Das ist eine sehr
ordentliche Ausgangslage für eine, die in wenigen Tagen gerade mal 40
wird, einen eigenen Kopf hat und das Zeug dazu, Gutes zu bewirken.
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Florian Giezewski
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