Allg. Zeitung Mainz: Wenig Interesse / Kommentar zum NSU-Untersuchungsausschuss

Für den früheren RAF-Anwalt, Mitgründer der Grünen
und späteren SPD-Innenminister Otto Schily ist es schwer, dass er
sich heute eingestehen muss, die Gefahr von Rechts nicht erkannt zu
haben. Es ist glaubhaft, dass er dies heute als sehr deprimierend
empfindet. Und doch reiht sich seine Aussage vor dem
NSU-Untersuchungsausschuss in die vielen Stellungnahmen von
Verfassungsschützern und Ermittlern ein: Schily konnte nicht sagen,
warum er schon einen Tag nach dem Anschlag mit einer Nagelbombe in
Köln einen rechtsterroristischen Hintergrund ausgeschlossen hatte.
Das Attentat wurde 2004 verübt – nicht einmal zehn Jahre ist das her.
Mit der Vermutung, dass er die Bewertung der brutalen Tat von
Mitarbeitern seines damaligen Ministeriums erhalten hatte, schiebt
Schily die Verantwortung letztendlich weit von sich weg. Und er
dokumentiert damit auch, dass er sich schlicht zu wenig für dieses
Thema interessiert hat. So wie die Polizeibehörden haben auch
Spitzenpolitiker viel zu lange einen rechten Terrorismus
ausgeblendet. Terror – der kam nur von links. Heute wissen wir, dass
dies eine katastrophale Fehleinschätzung war. Nach den Aussagen im
Untersuchungsausschuss verliert Schilys Erklärung, die politische
Verantwortung für das Versagen der Sicherheitsbehörden zu übernehmen,
ganz erheblich an Wert. Denn der 80-jährige Ex-Minister muss keine
politischen Rücksichten mehr nehmen. Deshalb wäre es nicht nur für
die Angehörigen der NSU-Opfer wichtig gewesen, vom damals
verantwortlichen Minister genauer zu erfahren, wie es zu dem
Total-Versagen der Behörden kommen konnte.

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