Badische Neueste Nachrichten: Ein Scherbenhaufen

Auch wenn sein Erfolg mit 98 Stimmen Vorsprung
äußerst knapp ist, hat Jean-François Copé mit seinem Sieg bei der
parteiinternen Abstimmung über die künftige Führung der französischen
Konservativen alle überrascht. Denn eigentlich war sein Rivale
François Fillon als Favorit ins Rennen gegangen. Zumindest in der
Bevölkerung genießt Fillon hohe Beliebtheitswerte und wirkt
wesentlich sympathischer und gemäßigter als der Scharfmacher Copé.
Doch waren es eben nicht die Bürger, die über den UMP-Vorsitz
abstimmten, sondern die rund 260 000 Parteimitglieder. Und bei denen
hat der bisherige UMP-Generalsekretär starken Rückhalt. So hat Copé
selbst jetzt freilich gut lächeln, dass er alle Umfragen eines
Besseren belehrt hat. Und doch müsste ihm das Lächeln einfrieren.
Denn sein Sieg ist teuer erkauft. Copé steht vor einem
Scherbenhaufen. Die UMP hat sich nicht mit der schlecht organisierten
Urwahl und dem Chaos bei der Stimmenabzählung das peinlichste
Spektakel geleistet, das eine Partei ihren Anhängern nur bieten kann.
Zu wenige Wahllokale, Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung,
Betrugsvorwürfe und zwei Kandidaten, die sich noch vor Bekanntgabe
des Ergebnisses beide selbst als Sieger proklamieren – all dies
erinnert eher an afrikanische Zustände, denn an eine demokratische
Urwahl innerhalb der größten Partei Frankreichs. Der mörderische
Machtkampf zwischen den Häuptlingen Copé und Fillon hatte die
Stimmung in der Partei in den vergangenen Monaten ohnehin schon
gründlich vergiftet. Nach der Abwahl von Nicolas Sarkozy am 6. Mai
und der anschließenden Niederlage der bürgerlichen Rechten bei der
Parlamentswahl zog die UMP auch keine richtigen Lehren aus dem
Debakel. Statt über die künftige Ausrichtung der Partei sowie den
Umgang mit der extremen Rechten zu debattieren, haben sich Copé und
Fillon vor allem ein persönliches Duell geliefert, mit bitteren
Verbalattacken und Tiefschlägen. Das hinterlässt freilich tiefe
Spuren. Da mag sich der neue Vorsitzende Copé jetzt noch so
versöhnlich geben und den Zusammenhalt der Partei beschwören – die
Wunden zu heilen wird schwierig, wenn gar unmöglich sein.

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Klaus Gaßner
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