Von seiner Gefängniszelle aus hat PKK-Chef
Abdullah Öcalan einen Appell an die Kurdenrebellen und an den
türkischen Staat gerichtet, der das Ende des fast 30-jährigen
Kurdenkrieges einläuten soll. Die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt
ist bei Kurden und Türken groß, die Menschen sind kriegsmüde – und
zum ersten Mal sehen sowohl Öcalan als auch die türkische
Staatsführung mehr Vorteile in einer friedlichen Lösung als in einer
Fortsetzung der Gefechte. Das ist ermutigend. Für Euphorie ist es
aber zu früh. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan
verspricht ein Ende der türkischen Militäroperationen für den Fall,
dass die PKK dem Befehl Öcalans nachkommt. In den kommenden Wochen
wird sich zeigen, ob beide Seiten gewillt sind, sich an diese
Vorgaben zu halten. Sollte es Kurden und Türken tatsächlich gelingen,
einen Konflikt beizulegen, der seit 1984 mehr als 40 000 Menschen das
Leben gekostet hat, wäre das eine Leistung für die Geschichtsbücher.
Die Türkei würde einen großen Sprung nach vorne machen, sich von
einem Mühlstein befreien, der das Land zurückgehalten und
demokratische Reformen erschwert hat. Eine Türkei mit einem
befriedeten Kurdengebiet wäre nicht nur innenpolitisch stabiler,
sondern würde auch auf internationaler Bühne stärker. Die
Hauptakteure auf beiden Seiten haben aber nicht nur ihre historische
Rolle im Blick. Erdogan steht vor einer Dreier-Packung aus Kommunal-,
Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in den kommenden zwei Jahren,
die er für seine Partei AKP gewinnen will. Für sich selbst strebt
Erdogan das Präsidentenamt an. Eine Beilegung des Kurdenkonflikts
würde seine Chancen erheblich verbessern. Öcalan kann damit rechnen,
bei einer erfolgreichen Friedensvereinbarung früher oder später aus
dem Gefängnis entlassen zu werden. Noch vor wenigen Jahren war die
Vorstellung, der PKK-Chef könne eines Tages ein freier Mann sein,
völlig realitätsfern.
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Klaus Gaßner
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