BERLINER MORGENPOST: Berlin braucht mehr Polizisten – Leitartikel

Es ist kein Ende abzusehen: Fast jede Nacht brennen
in Berlin Autos. Nun hat die Polizei erstmals zwei mutmaßliche
Brandstifter festgenommen: Das ist die gute Nachricht. Die schlechte:
Einer der beiden Männer ist schon wieder auf freiem Fuß, da ihm die
Tat offensichtlich nicht nachgewiesen werden kann – obwohl die beiden
ganz in der Nähe der brennenden Autos festgenommen wurden, mit
Grillanzündern und Feuerzeugen in der Tasche. So geht es seit Wochen:
Mal brennen fünf, mal acht Wagen, dann wieder drei oder auch nur
einer. Insgesamt registrierte die Berliner Polizei in diesem Jahr
schon 70 politisch motivierte Brandanschläge auf Autos in der Stadt.
Die Polizeibeamten stehen den Brandstiftungen scheinbar hilflos
gegenüber, denn so ein Pkw ist schnell angesteckt. Die Täter sind
meist schon weit entfernt, wenn der Wagen in Flammen steht und
Anwohner die Feuerwehr und Polizei alarmieren. Spuren hinterlassen
die Täter meist nicht. Weil die Zahl der Brandstiftungen in den
vergangenen Wochen so rapide zugenommen hat, entschied Innensenator
Ehrhart Körting (SPD) jetzt, mehr Polizisten nachts auf Streife zu
schicken. Endlich, möchte man sagen – und sich eigentlich freuen.
Doch es sind leider nicht mehr Polizisten. Es sind genau die Beamten,
die eigentlich in den Abend- und Nachtstunden in der U-Bahn unterwegs
sein sollen, um dort Straftaten zu verhindern. Linke Tasche, rechte
Tasche nennt man solch eine Umverteilung. Kein einziger Polizist wird
zusätzlich eingesetzt. Es ist also eine arge Täuschung, die der
Innensenator da versucht. Denn erinnern wir uns: Im Frühjahr, nach
den schweren Zwischenfällen in der Berliner U-Bahn, als Menschen
zusammengeschlagen und -getreten wurden, verkündete Körting gemeinsam
mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), dass er 200
Polizisten zusätzlich einstellen wird. Die müssen noch ausgebildet
werden – und stehen erst im Jahr 2013 beziehungsweise 2014 zur
Verfügung. Bis dahin soll die sogenannte Einsatzreserve für die
Sicherheit in der U-Bahn sorgen. Aber auch das funktionierte schon
nach wenigen Tagen nicht, denn die Polizisten wurden an anderen
Einsatzorten gebraucht – beispielsweise bei einer NPD-Demonstration.
Aber es ist eben Wahlkampf in Berlin, und der Regierende und sein
Innensenator wollen sich als diejenigen präsentieren, die sich um die
Sicherheit der Berliner kümmern. Deshalb versucht Körting sich jetzt
damit herauszureden, es sei von Anfang an klar gewesen, dass man in
besonderen Situationen die Polizisten auch wieder aus der U-Bahn
abziehen müsse. Nur laut gesagt haben es Wowereit und Körting nicht,
als sie ihr Sicherheitskonzept vorstellten. Und jetzt? Jetzt fehlen
die Beamten in der U-Bahn und machen sich auf die Jagd nach den
Brandstiftern. Diese Einsatzpolitik macht eines deutlich: In Berlin
werden deutlich mehr Polizisten gebraucht. Die CDU verspricht in
ihrem Wahlprogramm 250 zusätzliche Polizeibeamte – wohl wissend, dass
auch das die Probleme nicht lösen wird, denn Berlin hat mehr als 170
U-Bahn-Stationen, die Beamten machen auch mal Urlaub oder sind krank.
Aber die Sicherheit in Berlin kann man nur mit mehr Personal erhöhen
– und nicht mit der immer neuen Umverteilung der Polizeibeamten.

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