BERLINER MORGENPOST: Der Anfang vom Ende der Tierquälerei – Leitartikel

Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) will den
Tierschutz verschärfen und kann sich mit ihren Plänen einer breiten
Zustimmung sicher sein: Kein Mastkaninchen soll sich mehr im Käfig
quälen, kein Tiger mehr in Zoo und Zirkus leiden, kein Fohlen mehr
mit einem glühenden Eisen gekennzeichnet werden. Das sind sinnvolle
Maßnahmen, gegen die auch die Opposition nichts einwenden kann. Doch
diese Maßnahmen können erst der Anfang sein. Der jüngste Skandal um
dioxinverseuchte Futtermittel hat wieder einmal die Probleme einer
hochintensiven Massentierhaltung drastisch vor Augen geführt. Diese
öffentliche Aufmerksamkeit nutzt die Ministerin nun für ihren längst
überfälligen Vorstoß. Tierschutz ist seit 2002 als Staatsziel im
Grundgesetz verankert. Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet es,
einem Tier „ohne vernünftigen Grund“ Leid zuzufügen oder gar zu
töten. Schon Albert Schweitzer hatte angemahnt, der Mensch müsse das
Tier als Mitgeschöpf achten. Doch noch immer werden Schlachttiere in
Lastwagen unter qualvollen Bedingungen quer durch Europa
transportiert. In Forschungslabors sterben Millionen Versuchstiere.
Zig-Millionen Schweinen werden die Schwänze abgeschnitten, die
männlichen Ferkel werden ohne Betäubung kastriert. Millionenfach
leiden Mastputen, weil sie zu schwer werden, um sich überhaupt noch
zu bewegen. Qualzuchten, die bewusst in Kauf nehmen, dass ein Tier
leidet, damit es mehr Fleisch gibt, sind bei Haustieren wie Hunden
und Katzen längst verboten, nicht aber bei Nutztieren. Warum nicht?
Eine Landwirtschaft, die 80 Millionen Menschen ernähren und auch noch
für den Export produzieren soll, kann auch in Zukunft nicht auf
intensive Haltungsformen verzichten. 600 Millionen Masthähnchen
können nicht in Freilandhaltung produziert werden. Und auch für die
etwa 50 Millionen Schweine ist in Deutschland nicht genug Platz, um
sich auf Wiesen auszutoben. Die Ministerin muss aber dafür sorgen,
dass intensive Nutztierhaltung angemessene Tierschutz-Standards
erfüllt – auch gegen den zu erwartenden Widerstand der betroffenen
Branchen. Sie muss die Interessen der Verbraucher vertreten, die sich
um das Wohl der Nutztiere sorgen – und trotzdem Fleisch essen wollen,
das unter ethisch vertretbaren Bedingungen erzeugt wurde. Es ist
schick geworden, seinen Protest gegen die Massentierhaltung mit einer
vegetarischen Lebensweise auszudrücken. Aber das ist keine dauerhafte
Lösung. Tierschutz ist keine spleenige Marotte von Menschen mit
übertriebener Tierliebe. Tierschutz ist ein Ausdruck von Ehrfurcht
vor dem Leben. Denn Tiere sind keine Sache, sie sind Mitgeschöpfe des
Menschen – auch wenn der Mensch sie allein zu dem Zweck hält, sie
später zur Schlachtbank zu führen. Aber Kälte und Skrupellosigkeit im
Umgang mit Tieren könnten langfristig auch den Umgang der Menschen
untereinander beeinflussen. Tierschutz ist daher nicht nur eine
politische, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Und die
Verbraucher können sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Schon
heute gibt es Tierschutz-Label für Fleisch, das aus artgerechter
Haltung stammt. Die Verbraucher müssen nur zugreifen.

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