Willkommen im neuen Jahr. Ob es ein gutes wird?
Prognosen, selbst von Wirtschaftsweisen, trügen bekanntlich. Gewiss
ist nur eines: Auch 2012 wird wieder ein spannendes Jahr. Wird der
Euro überleben? Dafür spricht sehr viel. Aber zu welchem Preis? Und
wie hoch ist der Anteil, den Deutschland für die Rettung der
Gemeinschaftswährung und damit letztlich für ein vereintes Europa
bezahlen muss? Eine Schicksalsfrage für die Zukunft aller Europäer.
Von allen Regierungen – den schwachen wie den starken – ist zu
verlangen, dass sie sich dieser Herausforderung und Verantwortung
stellen. Solidarisch und in gegenseitigem Respekt. Im Vergleich zu
den anderen Hauptstädten des Kontinents regiert in Berlin eine
vergleichsweise starke Mannschaft. Ob das angesichts der ersten
Halbzeit mit ihren schier unglaublichen Eigentoren so bleibt, wird
die innenpolitische Agenda der kommenden Monate bestimmen. National
stellt sich für die höchst fragile FDP die Schicksalsfrage. Misslingt
es den Leichtgewichten an der Spitze, ihrer Partei endlich doch noch
ein paar Stützbalken einzuziehen, könnte es bald vorbei sein mit den
sich einst stolz präsentierenden Liberalen im Lande. Die Wahl in
Schleswig-Holstein am 6. Mai – übrigens der einzige Urnengang in
diesem Jahr – soll stabilisieren, was bei der FDP so gefährlich
wackelt. Und wenn nicht? Dann droht auch die Regierung Merkel ins
Schwanken zu geraten. Mit einem zerbröselnden Koalitionspartner würde
auch Merkels Machtgefüge national wie auf europäischer Bühne infrage
gestellt. So wird schon ein Jahr vor der Bundestagswahl über die
Regierungsverhältnisse im Bund und den Einfluss der Kanzlerin bei
ihren europäischen Kollegen entschieden. Wer will ausschließen, dass
Angela Merkel und die Union plötzlich ziemlich einsam dastehen? Diese
Sorge muss sich die Berliner CDU nicht mehr machen. Sie darf wieder
mitregieren. Muss es aber endlich auch tun. Bald vier Monate nach der
Wahl müssen die Roten und die Schwarzen aus der Versenkung auftauchen
und anpacken, was über die rot-roten Jahre versäumt wurde. Die
überfällige Regierungserklärung von Klaus Wowereit wird Aufschluss
über den Mut dieser Koalition geben. Im Mittelpunkt allen Bemühens
muss die Stärkung der Wirtschaftskraft in dieser Stadt stehen. Die
Eröffnung des neuen Flughafens Schönefeld ist dafür ein Stützpfeiler.
Die Entwicklung der alten Flughäfen Tempelhof und vor allem Tegel
sind andere. Dabei muss es um den Aufbau neuer Technologiezentren in
enger Verzahnung mit der vielfältigen Berliner Forschungslandschaft
gehen. Zu lange ist zu viel darüber nur geredet worden. In diesem
Jahr muss gehandelt werden. Ob die neuen Senatoren und Senatorinnen
dieser Herausforderung gewachsen sind? Berlin, attraktiv für junge
Menschen aus aller Welt und interessant für Manager fast aller
Branchen, muss ökonomisch mehr aus sich machen. Kein potenzieller
Investor darf je wieder sagen, diese Stadt sei wirtschaftsfeindlich.
Und es reicht nicht, auf die Kulturmetropole zu zeigen. Berlin muss
Metropole auch für Zukunftstechnologien werden. Die Weichen dafür
haben die Vormänner Wowereit und Henkel in den nächsten Monaten zu
stellen.
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