Angela Merkel kann beruhigt in den Urlaub fahren.
Obwohl sie eigentlich gar nicht urlaubsreif ist. Sie erhole sich, so
sagte sie jedenfalls am Freitag den Berliner
Hauptstadt-Korrespondenten, am besten bei der Arbeit. Natürlich war
das auch Koketterie. Aber sie machte in der Tat einen so gelassenen,
selbstbewussten und auch schlagfertigen Eindruck, dass von lastendem
Druck, Überarbeitung oder Müdigkeit nichts zu spüren war. Eine
souveräne Kanzlerin trotz Prism-, Drohnen- und Euro-Krise. Die Fragen
konnten noch so bohrend sein, sie rissen nicht wirklich Löcher in
ihre Argumentation. Diese war allerdings beim derzeit am strittigsten
diskutierten Thema Ausspähprogramm und NSA-Geheimdienst entwaffnend
dünn. Sie wisse halt auch nichts und erwarte deshalb von den
Amerikanern erstens baldmöglichst umfassende Aufklärung und zweitens
danach Verhandlungen über einen besseren Datenschutz, sagte Merkel.
Um dann ganz präsidial Grundsatzfragen aufzuwerfen. Von der
Verhältnismäßigkeit bei der Nutzung aller technischen Möglichkeiten,
der Wucht und der Macht der Globalisierung mit deren Chancen und
Risiken bis zum Datenschutz insgesamt, der weit über die
Geheimdienste hinaus jeden Bürger betreffe. Wer wollte dem
widersprechen? Aber wirklich klüger ist durch die Merkel-Äußerungen
keiner geworden. Das gilt auch für die innenpolitischen Probleme.
Schleppende Energiewende, versenkte Drohnen-Millionen, gigantische
Risiken bei der Euro-Rettung – Fragen danach wurden von Merkel
geschickt abgeschmettert oder beispielsweise bei der Drohnen-Frage
auf den verantwortlichen Minister Thomas de Maizière abgeschoben, der
– um falschen Schlüssen vorzubeugen – dann schnell noch mit einem Lob
bedacht wurde. Aber Fragen zu innenpolitischen Themen waren ohnehin
rar. Und die wenigen perlten an der Kanzlerin ab oder wurden wieder
ins Grundsätzliche weitergedacht. Wie bei einer Frage nach mehr
Ganztagsschulen. Darum müsse man sich natürlich in der nächsten
Legislaturperiode kümmern. Denn die seien doch die logische
Fortsetzung nach dem Anspruch auf einen Kita-Platz, weil anderenfalls
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht befördert werde, sagte
Merkel. Damit war der SPD auch noch das nächste Wahlkampfthema
entrissen. Peer Steinbrück, der SPD-Kanzlerkandidat, kann einem da
fast leidtun. Während Steinbrück giften und polemisieren muss, um
gehört zu werden, gefällt sich Angela Merkel in der Rolle der
souverän präsidialen Kanzlerin. Und sie spielt diese mit Erfolg, wie
die Umfragen zeigen. Aber wird es am 22. September tatsächlich
reichen? Nach dem Urlaub wird auch Merkel den politischen Gegnern den
Fehdehandschuh hinwerfen müssen, soll es nicht zu einer erneuten
Enttäuschung wie 2005 kommen. Derzeit scheint ihr ärgsten Widersacher
die Selbstgerechtigkeit der eigenen Partei. Die CDU irrt, wenn sie
meint, die Wahl sei schon gewonnen. Zwar scheint Angela Merkel
unschlagbar, doch die politischen Lager liegen fast gleichauf. Allem
Geschick der Kanzlerin zum Trotz.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de