Noch keinen Tag im Amt, hat der neue
Bundesinnenminister gleich für Streit mit der Opposition gesorgt. Den
hätte sich Hans-Peter Friedrich so früh wohl gern erspart. Doch sein
Partvorsitzender Horst Seehofer hatte ihn zur Bekundung der eigenen
Wichtigkeit zum gemeinsamen Auftritt in der Bundespressekonferenz
gedrängt. Und so konnte Friedrich sich dort nicht um eine Antwort
drücken, als er nach der Bedeutung des Islam in Deutschland gefragt
wurde. Seine Differenzierung, Muslime gehörten als Bürger natürlich
zu diesem Land, der Islam selbst als Religion dagegen nicht, löste
reflexartig nicht anders zu erwartende Reaktionen aus. Verrat am
Integrationsgedanken, schallte es zurück – allen voran die
islamischen Vereinigungen und die Grünen. Verrat auch an der Rede des
Bundespräsidenten vom 3. Oktober 2010, als Christian Wulff betonte,
auch der Islam gehöre zu Deutschland. Dabei hat Friedrich gar nichts
Neues gesagt. Nur wiederholt, was er schon nach der Einheits-Rede des
Präsidenten kritisch angemerkt hatte – und worüber seine CSU und
mehrheitlich die CDU einig sind: Aus der Historie lasse sich nirgends
belegen, dass der Islam zu Deutschland gehört wie etwa das Christen-
und das Judentum. Dagegen bekräftigte er, worum es ihm auch künftig
als Innenminister in der Integrationspolitik geht. Um den
Zusammenhalt in der Gesellschaft zu befördern und zu stärken, müsse
man die Dinge zusammenführen und nicht polarisieren. Recht hat er.
Der Islam ist zwar Teil der deutschen Wirklichkeit geworden, gehört
aber kaum zu unserem kulturellen Wurzelgeflecht. Akademiker mögen
darüber streiten, inwieweit der Islam tatsächlich Teil der
europäischen Kultur ist. Für die Probleme, die uns bewegen und
belasten, spielt das allenfalls eine Nebenrolle. Wichtiger ist die
Bereitschaft, sich in die Mehrheitsgesellschaft – in der zu leben
übrigens keiner gezwungen wird – zu integrieren, deren Sprache zu
lernen und deren Werte zumindest zu akzeptieren. Da hat Friedrich
gleich am ersten Amtstag ein wegweisendes und richtiges Signal
gesetzt. Denn wie schwer sich viele der in Deutschland lebenden rund
1,8 Millionen Türken und etwa 700.000 türkischstämmigen Deutschen
weiter tun, haben erst vor ein paar Tagen die Düsseldorfer Jubelarien
für den türkischen Regierungschef Erdogan wieder gezeigt. Dass der
Islam selbst in seiner extremsten Interpretation Teil der deutschen
Realität geworden ist, macht der mörderische Anschlag auf die
amerikanischen Soldaten am Frankfurter Flughafen deutlich. Es ist das
erste geglückte Attentat eines islamistischen Fanatikers auf
deutschem Boden. Der Täter ist in Deutschland aufgewachsen – und zum
Mörder aus religiösem Fanatismus geworden. Ein Fall, der neue Ängste
um die Sicherheit im Lande schürt. Auch einer, der die Dringlichkeit
von Integration unterstreicht. Aber keiner, der einen terroristischen
Generalverdacht gegenüber allen mit und neben uns lebenden Menschen
islamischen Glaubens schüren darf. Auch das Attentat suchte Friedrich
gleich am ersten Ministertag heim. Es spricht für ihn, dass er nicht
nach vertrautem CSU- Reflex sogleich nach schärferen Gesetzen und
mehr Polizisten verlangte.
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