Es ist ein Ärgernis mit der rot-roten
Bildungspolitik in Berlin: Immer mehr wird reguliert und
vorgeschrieben, von Vielfalt und Freiheit keine Spur. Dass dies nicht
gut gehen kann, weil die Schülerinnen und Schüler auf
unterschiedliche Art gefördert werden müssen, erlebt
Noch-Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gerade: Jede fünfte
Grundschule in Berlin will aus dem sogenannten
jahrgangsübergreifenden Lernen, bei dem Schüler unterschiedlichen
Alters in einer Klasse unterrichtet werden, wieder aussteigen. In
Klassen mit gleichaltrigen Kindern ist es dann doch einfacher, den
Anforderungen aller gerecht zu werden, sie gezielt zu fördern.
Erstaunt es eigentlich jemanden, dass die meisten Anträge, wieder zum
alten System zurückzukehren, aus Neukölln – einem Bezirk mit einem
hohen Migrantenanteil – kommen? Der Versuch von Rot-Rot, allen
Grundschulen vorzuschreiben, wie sie zu unterrichten haben, ist bei
den Schuldirektoren, Lehrer und Eltern zu Recht nicht gut angekommen.
Zu groß ist das Durcheinander in den Grundschulen, zu oft müssen die
Kinder sich an wechselnde Klassenlehrer gewöhnen, viel zu viele
Kinder müssen eine Klasse wiederholen. Beim rot-roten Senat heißen
diese Schüler übrigens „Verweiler“ – früher nannte man das
Sitzenbleiben. Für die Schüler, die schon in den jungen Jahren nicht
weiterkommen, ist das heute genauso bitter wie damals.
Bildungssenator Zöllner muss in den nächsten Wochen entscheiden, ob
er den 70 Grundschulen erlaubt, wieder die alten Klassenstrukturen
einzuführen. Gibt er den Anträgen statt, wäre dies eine kleine, aber
wichtige Kursänderung: Mehr Freiheit für die Grundschulen. Eine
schöne Vorstellung. Wie man gegängelt wird, erleben gerade auch die
Privatschulen – übrigens auch in Brandenburg, wo seit einem Jahr ja
ebenfalls SPD und Linke gemeinsam regieren. Die Zuschüsse für diese
Schulen sollen in Berlin deutlich gekürzt werden – im nächsten Jahr
um mehr als sieben Millionen Euro, im Jahr 2013 um weitere zehn
Millionen Euro. Begründet wird dies mit dem Zwang, weiter zu sparen,
die Schuldenbremse einzuhalten. Gleichzeitig will sich der Regierende
Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Wahlkampf für seine Ankündigung
feiern, im Bildungsbereich werde nicht gespart. Aber auch die freien
Träger sind Bestandteil des Bildungssystems und unerlässlich – mit
ihrem vielfältigen Angebot, mit häufig kleineren Klassen und einer
meist guten Ausbildung. Ihre Arbeit wird künftig schwierig, denn die
fehlenden Zuschüsse können sie nur mit mehr Schulgeld ausgleichen.
Oder sie müssen ganz aufgeben, wie es die geplante evangelische
Oberschule in Potsdam jetzt getan hat, weil Brandenburg die Zuschüsse
um knapp 20 Prozent gestrichen hat. Bildung ist für alle Parteien im
Abgeordnetenhauswahlkampf eines der, wenn nicht sogar das zentrale
Thema. SPD und Linke feiern sich für ihre unzähligen Strukturreformen
im Bildungsbereich, die CDU läuft Sturm gegen das
jahrgangsübergreifende Lernen, die FDP kämpft für Privatschulen und
die Grünen für mehr Vielfalt und ein Konzept, wie Migrantenkinder
auch zu einem Schulabschluss kommen. Jeder Berliner hat also eine
Wahl, eine richtige.
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