BERLINER MORGENPOST: Kommentar zum Versagen Westerwelles als Außenminister

Bundesaußenminister zu sein, war immer verbunden
mit Lob und Anerkennung. Über Parteigrenzen hinweg. Bis Guido
Westerwelle kam. Kein Außenminister vor ihm hatte eine so geringe
Reputation, so wenig Glaubwürdigkeit wie er. Ob Genscher, Fischer
oder Steinmeier – Deutschlands Chef- Diplomat zu sein war immer ein
dicker Pluspunkt für den Amtsinhaber wie für dessen Partei.
Westerwelle hat gleich doppelten Kredit verspielt. Als Chef der FDP
und als Minister. Letzteres haben die Partei und er noch nicht
eingesehen. Nur als Parteivorsitzenden wollen sie ihn loswerden. Das
ist überfällig. Weil Westerwelle die FDP ohne Markenkern an den
Abgrund taktiert hat. Aber nicht konsequent. Weil Westerwelle auch
als Außenminister eine Fehlbesetzung ist. Es bleibt das Geheimnis der
Liberalen, nachvollziehbar folgenden Widerspruch zu erklären: Warum
kann der Mann, den sie gerade als Vorsitzenden gestürzt haben,
vertrauenswürdiger Anwalt deutscher Außenpolitik sein? Sollten sich
das Parteipräsidium und der Minister, beide noch einig in dessen
Verweilen im Regierungsamt, an früheren unfreundlichen Wechseln an
der Parteispitze orientiert haben, ignorieren sie einen gewaltigen
Unterschied: Klaus Kinkel und noch viel stärker Hans-Dietrich
Genscher waren längst anerkannte Außenminister, als sie in ebenfalls
für die Liberalen schwierigen Zeiten den Parteivorsitz abgeben
mussten, ihr Ministeramt dagegen behielten. Mit Erfolgen aber kann
Westerwelle selbst nach 18 monatigem Mühen im Traumjob nicht punkten.
Es fing damit an, dass er seinen Lebensgefährten gleich mit auf die
erste große Auslandstour nahm und damit den Verdacht der
Vetternwirtschaft weckte. In der latenten EU- Krise ist kein
Lösungsansatz von ihm bekannt geworden. Den bislang einzigen Erfolg,
Deutschlands Wahl in den UN- Sicherheitsrat, hat er durch die
Enthaltung in der Libyen- Resolution gleich wieder torpediert. Und
obendrein Zweifel an Deutschlands Verlässlichkeit bei den westlichen
Partnern geweckt. Jüngst in China drängte er in Reden zwar auf die
Einhaltung der Menschrechte und hielt damit die liberale
Freiheitsfahne hoch. Zog sie allerdings schnell wieder ein, als es
ernst wurde: Vergangene Woche eröffnete er die große deutsche
Kunstausstellung in Peking, obwohl einem Mitglied seiner Delegation
wegen regimekritischer Äußerungen die Einreise nach China verweigert
wurde. Was er aus dem Amt hätte machen können, blitzte kurz auf, als
er den Freiheitskampf erst der Tunesier und dann der Ägypten auch zu
seiner Sache zu machen schien und auf dem Tahir Platz in Kairo
begeistert gefeiert wurde. Dazu passt sein Einsatz, um zwei deutsche
Journalisten aus iranischer Gefangenschaft zu befreien. Ansätze –
leider nicht mehr. Guido Westerwelle hat so viel Vertrauen eingebüßt,
so viele Erwartungen enttäuscht, dass er anders als einst Genscher
und Kinkel weder dem Land noch seiner Partei länger helfen kann. Er
sollte auch auf den Ministerposten verzichten. Und seinen Nachfolgern
freie Hand bei einer für die FDP überlebensnotwendigen Umbesetzung
des Kabinetts geben. Anderenfalls scheint die Wahlniederlage 2013
programmiert.

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