BERLINER MORGENPOST: Mut zur Umkehr in der Energiepolitik Daniel Wetzelüber den Energiegipfel im Bundeskanzleramt

Kommt jetzt die Wende zum Besseren? Seit Montag
dieser Woche ist Angela Merkels Energiepolitik nicht mehr
„alternativlos“. Denn Top-Ökonomen haben im Kanzleramt einen
Gegenentwurf zu dem umstrittenen Ökostromgesetz EEG vorgelegt
– gerade noch rechtzeitig vor dem Energiegipfel. Das vom Mitglied des
Sachverständigenrats Christoph Schmidt präsentierte Konzept einer
„marktwirtschaftlichen Energiewende“ zeigt endlich einen Weg raus aus
dem sich immer schneller drehenden Subventionstornado, zu dem sich
das System der Ökostromförderung entwickelt hat. Nach dem von Schmidt
vorgeschlagenen Quotenmodell könnten die Ziele der Energiewende
genauso schnell erreicht werden, doch zu fast einem Zehntel der
Kosten für den Verbraucher. Es wäre die Rückkehr zur Marktwirtschaft
nach Jahren der planwirtschaftlichen Irrungen – zum Nutzen aller. Die
Bundesregierung steht damit vor einem taktischen Dilemma. Sie hat für
die Energiewende zwar mindestens genauso viel geleistet wie Rot-Grün
zu ihren besten Zeiten. Doch ein Gewinnerthema ist diese Wende im
anstehenden Bundestagswahlkampf für Schwarz-Gelb trotzdem nicht. Die
Koalition hat es nicht verstanden, Ordnung und System in das weltweit
größte Infrastrukturprojekt zu bekommen. Sie wird verantwortlich
gemacht für eine völlig unkontrollierte Kostenentwicklung. Und die
Bundeskanzlerin ist ausgerechnet zu Beginn des Wahljahres 2013
gezwungen, ihr Versprechen einer auf 3,6 Cent pro Kilowattstunde
eingefrorenen Ökostromumlage zu brechen: Die Kostenbelastung der
Bürger steigt in Wahrheit drastisch auf über fünf Cent an. Die
Verbraucher sollen immer mehr zahlen, während zugleich die
Versorgungssicherheit sinkt und die Bundesnetzagentur vor dem weiter
steigenden Blackout-Risiko im kommenden Winter warnt. Die Minister,
die da nun zum Energiegipfel zusammenkommen, wollten eigentlich
weitere Kostensteigerungen beschließen. So sollten die
Stromverbraucher künftig noch mit einer Risikopauschale für die
Anbindung von Offshore-Windparks zur Kasse gebeten werden. Auch eine
„Kapazitätsprämie“ ist im Gespräch, mit der die Bürger die auf einmal
benötigten Reservekraftwerke finanzieren sollen. So türmt sich
Subvention auf Beihilfe. Wahlen gewinnt man mit so einem Flickwerk
wohl eher nicht. Vielleicht sollten die Energiepolitiker im
Kanzleramt lieber über die Alternative zum
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) reden, die jetzt auf dem Tisch
liegt. Das ist ohnehin überfällig: Das Gesetz war vor zwölf Jahren
zur Markteinführung von Ökostrom geplant. Der hat aber heute bereits
mit 25 Prozent den zweitgrößten Marktanteil und ist damit aus den
Kinderschuhen raus. Jetzt ist es Zeit für eine Rückkehr zur
Marktwirtschaft in der Energiepolitik. Die Energiewende könnte bei
gleichbleibend hohen ökologischen Zielsetzungen zu deutlich
niedrigeren Kosten funktionieren. So würde es der Union auch
gelingen, ihr Profil im Bundestagswahlkampf zu schärfen – anstatt
sich auf unsere Kosten weiter durchzuwursteln.

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