Es ist leicht, Scherze über die öffentliche
Verwaltung zu machen. Das Klischee von behäbigen Mitarbeitern, die
zwischen Gummibaum und unaufhörlich röchelnder Kaffeemaschine eine
ruhige Kugel schieben, wird auch im Jahr 2012 oft und gerne bedient.
Das ändert sich meist schnell, wenn der Berliner Steuerbürger eine
Verwaltungsleistung in Anspruch nehmen muss und mit der Personalnot
in den Behörden konfrontiert wird. Studenten bekommen monatelang kein
Geld, weil das BAföG-Amt in Anträgen ertrinkt. Wer einen Reisepass
für seine Kinder benötigt, muss sich viele Wochen vor Urlaubsantritt
um einen Termin kümmern. In Schulen fällt reihenweise Unterricht aus,
weil Lehrer dauerkrank sind.
Das ist schon heute traurige Realität. Spätestens in fünf Jahren
wird sich die Lage in unserer Stadt aber dramatisch verschärfen, weil
bis dahin fast 30.000 Beamte und Angestellte in den Ruhestand gehen –
also rund jeder vierte Mitarbeiter. Wer meint, dass sich Berlins
Landesregierung auf diesen Umstand eingerichtet hat und entsprechende
Vorsorge trifft, irrt leider. Längst hätte eine Einstellungs- und vor
allem Ausbildungsoffensive vorbereitet sein müssen. Wer 2016 gut
qualifizierte Bedienstete haben will, muss drei Jahre vorher mit den
Ausbildungen beginnen. Doch eine Task-Force, die sich darum kümmert,
sucht man im Senat bislang vergebens. Stattdessen wachsweiche
Formulierungen im Koalitionsvertrag von SPD und CDU, dass ein
„Bedarfskonzept“ und ein Plan für besseres Personalmanagement nötig
sind. Und natürlich das sattsam bekannte Verweisen auf die
Zuständigkeit des jeweils anderen Ressorts. All das macht dem
Beobachter wenig Hoffnung, dass die Landesregierung die Misere zügig,
offensiv und kreativ angehen wird.
Besonders ärgerlich daran ist, dass die Personalentwicklung in der
Berliner Verwaltung für jedermann absehbar war. Die Altersstruktur
ist kein Geheimnis, schon seit Jahren legen Personalräte und
Gewerkschaften den Finger in diese Wunde. Doch seit den 90er-Jahren
stand nur der Abbau vermeintlicher Überkapazitäten im politischen
Fokus, ging es nur um „Sparen, bis es quietscht“. Jetzt stellt die
SPD die Arbeitsfähigkeit des öffentlichen Dienstes infrage. Das ist
kein Ruhmesblatt für den Senat. Allerdings hätte es auch den
sozialdemokratischen Abgeordneten gut zu Gesicht gestanden, etwas
früher Alarm zu schlagen. Schließlich ist die Partei nicht erst seit
gestern an der Landesregierung beteiligt.
Natürlich muss ein Personalkonzept her. Einstellungen nach dem
Gießkannenprinzip haben ebenso wenig Sinn wie Personalabbau mit dem
Rasenmäher. Doch weder Koalition noch Senat dürfen sich damit viel
Zeit lassen, das ist eine Schwerpunktaufgabe der kommenden Monate.
Wer wartet, bis Zehntausende Mitarbeiter bereits im Ruhestand sind,
gefährdet nicht nur die Verwaltungsabläufe, sondern verhindert auch
Wissenstransfer in die nächste Generation. Und schlussendlich muss
die Politik dafür sorgen, dass jungen Menschen die Arbeit in einer
Senats- oder Bezirksverwaltung attraktiv erscheint. Der Landesdienst
hat auch ein Imageproblem: Freie Wirtschaft und Bundesbehörden bilden
eine starke Konkurrenz.
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