Biogas-Markt im Umbruch: Biogasrat fordert Einhaltung der Politikziele

Nach Auffassung des Biogasrat e.V., dem Verband der
Biogaswirtschaft, steht der Markt für Biogas und in das Erdgasnetz
eingespeistes Biomethan vor großen Strukturveränderungen. Sein
Geschäftsführer Reinhard Schultz fordert von der Bundesregierung ein
„konsequent zu ihren eigen Politikzielen zu stehen und diese auch mit
allen Kräften umzusetzen.“ Dazu gehören auch, bis zum Jahr 2020 6 und
bis zum Jahr 2030 10 Prozent des Erdgasverbrauches in Deutschland
durch Biogas zu ersetzen. Dafür seien etwa 2000 bis 5000
Biogaseinspeiseanlagen erforderlich. Bis Ende des Jahres 2011 sind
davon jedoch erst 60 Anlagen installiert. „Das Tempo ist viel zu
langsam, um die Klimaschutzziele zu erreichen und für die
Stromerzeugung, den Wärme- und den Kraftstoffmarkt eine
zukunftsfähige erneuerbare Alternative anzubieten, die stetig fließt
und überdies speicherbar ist.“ Das Problem sei nicht die Erzeugung
und Einspeisung, sondern die konsequente Weitentwicklung des
Abnehmermarktes. Deswegen sind aus Sicht des Biogasrat e.V.
Einspeisesubventionsgesetze, die die Gasnetzbetreiber zur Abnahme von
Biogas zwingen, ohne dass dafür ein konkreter Markt besteht, abwegig.
„Das gilt auch, wenn solche Vorschläge mit Tarnkappe in Gestalt eines
Speichergesetzes daherkommen. Neue Umlagen darf es nicht geben“,
betont Schultz.

Das neue Erneuerbare Energien Gesetz, dass 2012 in Kraft tritt,
wird gegenüber heute deutliche Verbesserungen für die Verstromung von
Biogas, das aus dem Erdgasnetz entnommen wird, bringen. „Das reicht
aber zur Zielerfüllung bei weitem nicht aus“, kritisiert Schultz.
„Politisch motivierte Begrenzung von Größenklassen, falsch berechnete
Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Anlagen bremsen laut
Schultz die Entwicklung aus. Ursächlich für diese Entscheidungen sei
die Angst der Politik vor Nutzungskonflikten und Kostenfolgen. „Wir
werden im Jahr 2020 an die 4 Millionen Hektar Ackerfläche für den
Bioenergieanbau zur Verfügung haben, ohne der Erzeugung von Lebens-
und Futtermitteln oder gar dem Naturschutz in die Quere zu kommen.
Derzeit nutzen wir nur 1,8 Millionen Hektar. Dazu kommt eine
Umstrukturierung innerhalb der Bioenergie; bestimmte Biokraftstoffe
werden wegen ihres unzureichenden Klimaschutzbeitrages nicht mehr
erzeugt werden. Dadurch wird Fläche frei.“

Zunehmend werden organische Reststoffe zu Biomethan verarbeitet,
die nicht für die EEG-Verstromung zugelassen sind, obwohl dadurch das
Finanzvolumen der EEG-Umlage deutlich beherrschbarer werden könnte.
„Es ist nicht zu verstehen, dass dieses Biomethan aufgrund des
geltenden EU-Rechts für den Kraftstoffmarkt und den ausländischen
Wärmemarkt zugelassen ist, aber nach deutschem Recht nicht verstromt
werden kann“, klagt Schultz. Deswegen finde dieses Biomethan
zunehmend seinen Markt im europäischen Ausland, zum Beispiel in den
Niederlanden oder Skandinavien. „Das sind die Anfänge eines
europäischen Biogasmarktes, den wir ausdrücklich aktiv unterstützen“,
erklärt Schultz. Gleichzeitig entwickeln die anderen europäischen
Länder eigene Biogasstrategien mit zum Teil anspruchsvollen Zielen.
„Für den deutschen Anlagenbau, erfahrene Betreiber und Händler
entstehen so zusätzliche Riesenchancen, die es leichter machen,
Probleme im deutschen Markt abzupuffern.“ Selbst außerhalb der EU
gibt es eine spürbare Aufbruchsstimmung. So plant ein finanzstarkes
Konsortium aus russischen und europäischen Unternehmen den Bau
zahlreicher großer Biogasanlagen mit der Perspektive, Biogas in
Russland in das Erdgasnetz einzuspeisen und in Westeuropa zu
verkaufen. Der Biogasrat wird diese Entwicklung konstruktiv
begleiten.

Die nächste große politische Schlacht sieht der Biogasrat in der
Durchsetzung eines Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes für den
Gebäudebestand, das den Einsatz eines bestimmten Anteils erneuerbarer
Energien im Zuge von energetischen Sanierungsmaßnahmen verbindlich
vorsieht und Biogas in modernen Heizungsanlagen ausdrücklich zulässt.
„Der Gebäudebestand ist eine CO2-Schleuder, um die sich die Politik
bislang nicht gekümmert hat, auch aus Angst vor den Mietern. Mit
Biogas können wir warmmietenneutrale und damit sozialverträgliche
Lösungen schaffen“ erklärt Reinhard Schultz. Der Biogasrat arbeitet
mit Hochdruck an einer Studie, die eine höhere Energieeffizienz in
den Gebäuden mit dem Einsatz erneuerbarer Energien strategisch
zusammenführen soll.

Der Biogasrat weist darauf hin, dass es auch bei der
Direktverstromung von Biogas erhebliche Strukturveränderungen geben
wird. „Derzeit boomt der Bau von Hofanlagen mit Gülleeinsatz unter
Nutzung des alten Güllebonus, um noch als Schnäppchen die
Fehlallokation des alten Fördersystems bis zum 31.12.2011 für die
nächsten 20 Jahre zu sichern. Das treibt die Umlage in die Höhe,
obwohl niemand in der Politik das will.“ Ab 2012 wird es kaum noch
neue Hofanlagen geben, die Strom und Wärme erzeugen. „Die Vorgaben zu
externen Wärmenutzung sind zu hoch. Dafür wird aber die Marktprämie,
ein Instrument der Direktvermarktung, genutzt werden, um ohne
Wärmenutzung in großer Zahl reine Stromerzeugunganlagen bis zu 750 kW
auf den Bauernhof zu stellen. „Das ist risikolos, weil das
Schlimmste, was der Gesetzgeber für falsches Marktverhalten der
Betreiber vorgesehen hat, der Rückfall auf das Niveau der EEG-Umlage
ist. Energiepolitisch ist das eine neue vom Gesetzgeber verschuldete
Fehlentwicklung. Aber wir verstehen die Betreiber. Sie richten sich
in den chaotischen EEG einfach nur ein und nutzen es“, beschreibt
Schultz die Lage.

Reinhard Schultz sieht die Gefahr, „dass das EEG früher oder
später implodiert“. Die Ursache hierfür sei, dass vieles, das völlig
ineffizient und teuer ist, vorzugsweise gefördert wird, während
stetige und effiziente Angebote zu kämpfen haben. „Die Lösung ist:
Weg von Klientelversorgung, hin zu Effizienzstrategien auch bei der
Erzeugung und Nutzung der erneuerbaren Energien. Dazu gehört mehr
Marktnähe, z.B. eine Marktprämie ohne Vollkasko. Die Mehrkosten
gegenüber der konventionellen Erzeugung werden gefördert, der Rest
einschließlich Gewinn muss am Markt geholt werden. Dann lägen größere
Biogasanlagen mit Kraft-Wärme-Nutzung automatisch vorn und mehr
Reststoffe würden als Einsatzstoffe genutzt. Auch
Offshore-Windanlagen und größere oder gepowerte Onshore-Windanlagen
könnten sich durchsetzen. Allerdings wäre Photovoltaik bei einer
Verfügbarkeit von nur 9 Prozent und damit der größte Kostentreiber
der EEG-Umlage weg vom Fenster.“

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