Bundespresseamt wegen fragwürdiger Umfragepraxis in der Kritik

Meinungsforscher erstellen für die Kanzlerin
permanent Umfragen. So weit so gut. Staatsrechtler kritisieren die
aktuelle Praxis als „eindeutig“ unzulässig . Das Bundeskanzlerin
Angela Merkel unterstehende Bundespresseamt (BPA) lässt regelmäßig
repräsentative Umfragen erheben, die aus Sicht von Staatsrechtlern
unzulässig sind. Wie das Hamburger Magazin stern in seiner am
Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, nutzt das BPA
Steuermittel für regelmäßige Umfragen über das Image von Parteien. So
lässt das Presseamt jeden Monat die Kompetenzwerte der großen
Parteien auf insgesamt 17 Themenfeldern erheben. Der Düsseldorfer
Parteienrechtler Martin Morlok kritisierte das gegenüber dem stern:
„Was will eine Regierung mit diesem Wissen anfangen? Sie muss ja
neutral sein.“ Ähnlich äußerte sich der Speyerer Staatsrechtler Hans
Herbert von Arnim: „Solche Zahlen sind vor allem für die Parteien
relevant, für die Regierung allenfalls höchst mittelbar.“ Aus seiner
Sicht sei diese Umfragepraxis „ein eindeutiger Verstoß“.

Das BPA rechtfertigte sich gegenüber dem stern, es entspreche „den
methodischen Standards der empirischen Sozialforschung, die
Problemlösungskompetenzen nach Parteien zu erfragen“. Bereits vor
zehn Jahren hatte jedoch das dem Bundesrechnungshof unterstehende
Prüfungsamt des Bundes Berlin in einer bis heute unbekannt
gebliebenen Stellungnahme die Umfragepraxis unter dem damaligen
Kanzler Gerhard Schröder (SPD) scharf gerügt. Die Regierung dürfe
zwar die Bürgermeinungen „zu konkreten Sachthemen“ erheben. Umfragen
„zur Einschätzung der Kompetenz von Politikern und Parteien sowie der
Parteien- und Kanzlerpräferenz losgelöst von Sachfragen“ seien
dagegen „nicht zulässig“. Das BPA könne damit nämlich „den
Regierungsparteien mit öffentlichen Mitteln einen
Informationsvorsprung gegenüber den Oppositionsparteien verschaffen“.

Die damalige Bundesregierung stoppte daraufhin zwar die
regelmäßige Erhebung der Sonntagsfrage, setzte mehrere parteibezogene
Umfragereihen jedoch fort. Unter Merkel gibt das BPA heute überdies
dreimal im Jahr bei dem Mannheimer Ipos-Institut eine um die 150
Seiten umfassende Studie unter dem Titel „Regierungsmonitor“ in
Auftrag. Im Mittelpunkt steht bei ihr ein detailliertes Ranking aller
Minister, bei denen erhoben wird, ob sie aus Sicht der befragten
Bürger ihre Arbeit „eher gut“ oder „eher schlecht“ machen. Das
Bundespresseamt übermittelte diese Studien bisher aber nach eigener
Aussage nur dem Kanzleramt, nicht den anderen Ministerien.

Pressekontakt:
Gruner+Jahr, stern
Hans-Martin Tillack
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