Deutsche Umwelthilfe fordert gesetzliche Grundlage
zur dauerhaften Abschaltung alter Atomkraftwerke – Verbleibende
Reaktoren auf Basis der Erfahrungen von Fukushima möglichst zügig
abschalten – Prüfliste der RSK muss in neue Auslegungskriterien
münden, die Fukushima vergleichbare Szenarien berücksichtigen –
RWE-Klage zeigt Lernunfähigkeit der Konzerne – Jetzt zu
Ökostromversorgern wechseln
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die Klageankündigung des
RWE-Konzerns gegen die Abschaltung seines Altreaktors Biblis A als
„ignoranten und verzweifelten Versuch“ bezeichnet, die Nachbeben der
Reaktorkatastrophe von Fukushima in Deutschland einzudämmen. Der
Vorgang zeige erneut, dass hierzulande die Energiewende trotz einer
überwältigenden Mehrheit für den Atomausstieg nur in einem
„beinharten Machtkampf gegen die strukturkonservativen Teile der
traditionellen Energiewirtschaft durchgesetzt werden“ könne.
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake forderte die
Bundesregierung eindringlich auf, „die Stilllegung der gegen
zufällige oder gezielte Flugzeugabstürze unzureichend gesicherten
Atomkraftwerke so schnell wie möglich auf einer tragfähigen
gesetzlichen Grundlage abzusichern“. Dieser Schritt sei überfällig
und „der Lackmus-Test für die Ernsthaftigkeit der neuen
Atomenergiepolitik der Bundesregierung“. Baake erinnerte daran, dass
führende Juristen, darunter der frühere Präsident des
Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, schon die juristische
Begründung der vorläufigen Abschaltung von sieben Altmeilern durch
die Bundesregierung als nicht gerichtsfest bewertet hatten.
Die DUH forderte aber auch die privaten und gewerblichen
Stromverbraucher auf, das „gegen die eigenen Kunden gerichtete
Machtgehabe der Atomkonzerne mit einem massenhaften
Stromversorgerwechsel“ zu beantworten. Nach dem Motto: Wer nicht
hören will, muss fühlen, sollten die Kunden zu Ökostromversorgern
wechseln, die nicht mit Atomunternehmen verbunden seien. Wer
diesbezüglich ganz sicher gehen wolle, könne sich bei der von der DUH
vor fast fünf Jahren gegründeten Verbändeinitiative „Atomausstieg
selber machen!“ (www.atomausstieg-selber-machen.de) informieren und
binnen weniger Minuten wechseln.
Nach Überzeugung der DUH müssten nach einer gesetzlich geregelten
Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke und des seit bald vier
Jahren fast ununterbrochen abgeschalteten Pannenreaktors Krümmel auch
die dann noch verbleibenden Atommeiler so zügig wie möglich
abgeschaltet und durch eine Kombination aus Erneuerbaren Energien,
hocheffizienten Gaskraftwerken und Effizienzfortschritten ersetzt
werden. Dies sei eine zwingende Konsequenz der Erfahrungen von
Fukushima. Eine Sicherheitsüberprüfung der verbleibenden
Atomkraftwerke auf Basis des gestern vom Bundesumweltminister
veröffentlichten Prüfkatalogs der Reaktorsicherheitskommission (RSK)
mache dann grundsätzlich Sinn, wenn aus ihr „reaktorscharf“ neue
Erkenntnisse über die relative Sicherheit der jeweiligen Anlagen im
Lichte der Ereignisse von Fukushima gewonnen werden können. Noch
wichtiger wäre es aber, die Sicherheitsauslegung der Atomkraftwerke
auf Basis der Fukushima-Erfahrungen zu aktualisieren und daraus
Nachrüsterfordernisse für jeden einzelnen Reaktor abzuleiten. Diese
könnten dann bei der Festlegung der Abschaltreihenfolge und
zwischenzeitlich noch notwendiger Nachrüsterfordernisse
berücksichtigt werden.
Allerdings ergeben sich aus den bisher bekannten Rahmenbedingungen
für die nun geplanten Sicherheitschecks für die DUH massive Zweifel
an der Ernsthaftigkeit des Unterfangens. Zum einen verweigere
Umweltminister Norbert Röttgen weiter die Anwendung des seit 2009
aktualisierten Kerntechnischen Regelwerks (KTR), zum anderen seien
die für die Überprüfung der Reaktoren gesetzten Fristen von wenigen
Wochen angesichts des Umfangs des Prüfkatalogs vollkommen
unrealistisch. Einerseits könnten in der vorgegebenen Frist keine
konkreten Untersuchungen vor Ort durchgeführt werden. Andererseits
müssten sich die Beteiligten (Reaktorsicherheitskommission, RSK,
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit , GRS und
Ethikkommission) auf in der Vergangenheit durchgeführte
Untersuchungen und erhobene Angaben verlassen. Selbst bei besten
Absichten sei es vollkommen unrealistisch, die Konsequenzen der
Fukushima Erfahrungen für deutsche Reaktoranlagen bis Ende Mai seriös
zu erheben, zu bewerten und Vorschläge zur Nachrüstung zu
unterbreiten. Misstrauisch stimme in diesem Zusammenhang auch, dass
die in einem Arbeitspapier des BMU („Erste Überlegungen zu
Konsequenzen Fukushima“) vom 16. März 2011 niedergeschriebenen
konkreten Maßnahmen und Vorschläge für umfangreiche Nachrüstungen in
dem Prüfkatalog keine wesentliche Rolle mehr spielten. In dem Papier
waren neue Auslegungskriterien für deutsche Atomkraftwerke als
Konsequenz aus Fukushima vorgeschlagen worden. In dem RSK-Prüfkatalog
gehe es dagegen lediglich darum, zu prüfen, ob und inwieweit in den
bestehenden Anlagen noch Sicherheitsreserven gegen neue Unfallabläufe
vorhanden seien.
Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0;
Mobil: 0151 55016943; E-Mail: baake@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0;
Mobil: 0171 5660577; E-Mail: rosenkranz@duh.de