DER DEMOGRAFIEKONGRESS – Zukunftsforum Langes Leben 2012

Bundespolitiker und Wirtschaftsvertreter fordern
neue Sicht auf das Alter

Altersgerechtes Wohnen, bessere Rahmenbedingungen für ein langes
und gesundes Arbeiten, moderne Dienstleistungsangebote und technische
Innovationen sowie kommunalpolitische Lösungsansätze für die
Gestaltung des demografischen Wandels – dies waren die Hauptthemen
auf dem Demografiekongress 2012, bei dem sich Entscheider aus der
Sozial-, Gesundheits- und Wohnungswirtschaft mit Vertretern aus
Industrie und Politik trafen, um über die Herausforderungen einer
Gesellschaft des langen Lebens zu diskutieren. Unter der
Schirmherrschaft von sechs Bundesministerien wurden während des
Demografiekongresses am 20. und 21. September 2012 vor rund 750
Teilnehmern Lösungsansätze vorgestellt, die zu mehr Lebensqualität im
Alter beitragen sollen.

Der demografische Wandel wird das Land in den kommenden
Jahrzehnten tiefgreifend verändern. Prof. Dr. Annette Schavan, MdB,
Bundesministerin für Bildung und Forschung, die den
Demografiekongress eröffnete, erklärte, dass nur eine ressort- und
ebenenübergreifende Politik die Herausforderungen meistern könne,
denen sich Deutschland in den nächsten Jahren entgegengestellt sehen
wird. Zudem sei es wichtig, dass man das Thema Alter nicht mehr nur
als Problem betrachte, sondern auch seine Chancen und Möglichkeiten
erkenne. Hier sei ein umfassender Bewusstseinswandel nötig, betonte
die Ministerin. Auch Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im
Bundesministerium des Innern sowie Beauftragte der Bundesregierung
für Informationstechnik, erklärte: „Wir müssen das Alter neu lernen.“
Das Engagement und der Erfahrungsschatz der Älteren sei ein bisher
nicht ausgeschöpftes Potenzial für dieses Land. Hier sei auch die
Politik gefordert, sich den Veränderungen anzupassen. Dennoch, so
Rogall-Grothe, könne man nicht alles vom Staat regeln lassen, sondern
müsse auch auf das Engagement der Menschen setzen.

Langes und gesundes Arbeiten

Bis zum Jahr 2030 werden nicht nur weniger Menschen im
erwerbsfähigen Alter in Deutschland leben, sondern die Erwerbsfähigen
werden auch deutlich älter sein. Stellen heute noch die 45- bis
50-Jährigen die am stärksten vertretene Altersgruppe dar, werden es
im Jahr 2030 die 60- bis 64-Jährigen sein. Vor diesem Hintergrund ist
es wichtig, die Potenziale älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
zu stärken und besser zu nutzen. Um die Rahmenbedingungen für ein
gesundes, produktives und qualifiziertes Arbeiten zu verbessern und
die Arbeitsfähigkeit der Menschen möglichst lange zu erhalten, haben
bereits viele Unternehmen die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)
in ihren Arbeitsalltag eingeführt. Norbert Paland, Leiter der
Unterabteilung Prävention im Bundesministerium für Gesundheit,
erklärte: „Betriebliche Gesundheitsförderung wird gerade in Zeiten
des demografischen Wandels immer mehr an Bedeutung gewinnen.“

Wichtig, so Paland, sei es, für einheitliche Vorgaben in Bezug auf
Qualität und Evaluation der BGF zu sorgen. Bisher fehlten solche
einheitlichen Standards noch. Durch die Betriebliche
Gesundheitsförderung könnte auch dem drohenden Fachkräftemangel
entgegengewirkt werden. Zudem müssten mehr Anreize für Unternehmen
und Beschäftigte geschaffen werden, sich an den Maßnahmen zu
beteiligen. Zwar ist das Thema bei den größeren Unternehmen schon
angekommen, doch viele der kleinen und mittleren Unternehmen sind
noch nicht hinreichend über die Vorteile der Betrieblichen
Gesundheitsförderung informiert.

Von vielen Kongressteilnehmern wurde auch die Bedeutung
psycho-sozialer Aspekte für ein langes und gesundes Arbeiten
hervorgehoben. Immer öfter werden Menschen aufgrund von Burnout oder
stressassoziierten Erkrankungen krankgeschrieben. Die Redner waren
sich jedoch darin einig, dass es nicht darum gehen könne, jedem
Stress aus dem Weg zu gehen. Vielmehr sei es wichtig, „an der Arbeit
auch Freude zu erleben und zu lernen, mit arbeitsbedingten Stressoren
umzugehen“, erläuterte Prof. Dr. Rainer Hellweg, Geschäftsführender
Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité
Berlin. Dafür sei auch eine bessere Kommunikation zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern wichtig.

Selbstbestimmtes Leben im Alter

Der überwiegende Teil der älteren Menschen hat den Wunsch,
möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können.
Altersgerechtes Wohnen und eine wohnortnahe Versorgung mit Gütern des
täglichen Bedarfs sind daher neben der möglichst langen Erhaltung der
Selbständigkeit eines der wichtigsten Ziele in einer Gesellschaft des
langen Lebens. Doch viel zu wenige Wohnungen entsprechen den
speziellen Bedürfnissen älterer Menschen. Axel Gedaschko, Präsident
des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
(GdW) und Senator a.D., erklärte, dass Schätzungen zufolge bis zum
Jahr 2015 etwa 2,5 Millionen neue altersgerechte Wohnungen benötigt
werden. „Es ist nach fünf nach zwölf“, so Gedaschko. Die
Wohnungswirtschaft sei hier auf die Unterstützung durch die Politik
angewiesen. Walter Rasch, Präsident des Bundesverbands Freier
Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und Senator a.D., wies
darauf hin, dass vor allem bezahlbarer Wohnraum knapp werden würde.
Barrierearme Wohnungen seien teuer, und gerade im Alter würden sich
viele Menschen diese gar nicht leisten können.

Wenn ältere Menschen zu Hause wohnen, sind sie häufig auch auf
verschiedene Hilfsangebote angewiesen. Damit steigt der Bedarf an
ambulanten Dienstleistungen und technische Lösungen, die ein
selbstbestimmtes Leben im eigenen Haushalt auch im Alter ermöglichen.
Zu den sogenannten „Ambient Assisted Living“-Systemen (AAL) gehören
telemedizinische Lösungen, technische Helfer, die einen Teil der
täglichen Hausarbeit übernehmen, aber auch intuitiv bedienbare
Kommunikationsmittel, die den Kontakt mit dem sozialen Umfeld
erleichtern, wie beispielsweise Hausnotrufsysteme. Zudem können
technische Assistenzsysteme auch die Pflege erleichtern. Welche
Fortschritte es auf diesem Gebiet bereits gibt und welche
Möglichkeiten sich hier auch für die Wirtschaft eröffnen, gehörte
ebenfalls zu den Themen des Demografiekongresses.

Auch wenn die Menschen mit zunehmendem Alter immer länger gesund
bleiben, gehen die meisten Schätzungen doch davon aus, dass die Zahl
der kranken und pflegebedürftigen Menschen in den nächsten Jahren
zunehmen wird. Für den Fall, dass es zu einer Pflegebedürftigkeit
kommt, muss jedoch eine bedarfsgerechte Pflege und Betreuung
gesichert sein. Wie auf regionaler Ebene die Rahmenbedingungen für
ein selbstbestimmtes Leben im Alter einschließlich der Betreuung und
Pflege im häuslichen Umfeld verbessert werden können, war ein
weiteres Thema, das auf dem Kongress erörtert wurde.

Preisträger der Initiative: Deutschland – Land des Langen Lebens

Die von Ulf Fink, Senator a.D., Prof. Dr. Ursula Lehr,
Bundesministerin a.D. und Prof. Dr. Rita Süssmuth,
Bundestagspräsidentin a.D. gegründete Initiative Deutschland – Land
des Langen Lebens zeichnete während des diesjährigen
Demografiekongresses erneut Projekte aus, die sich in vorbildlicher
Weise für die Gestaltung des Demografischen Wandels engagieren.

Preisträger 2012 in der Kategorie „Arbeit und Beschäftigung“ ist
die Marie-Luise und Ernst Becker Stiftung, die sich besonders für die
Förderung der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer einsetzt.
Hierzu vergibt die Stiftung u.a. ein wissenschaftlich fundiertes
Qualitätssiegel, AGE CERT, welches ein Qualitätssiegel für
altersgerechte Personalentwicklung in Unternehmen darstellt. In der
Kategorie „Beitrag der Älteren für die Gesellschaft“ wurde der Senior
Experten Service (SES) ausgezeichnet. Die mehr als 10.000
ehrenamtlich tätigen Senior-Experten unterstützen kleine und mittlere
Unternehmen vorwiegend im Ausland und leisten einen wesentlichen
Beitrag zur Selbsthilfe in Entwicklungs- und Schwellenländern. In der
Kategorie „Forschung“ wurden die Initiatoren der Berliner
Altersstudie (BASE-I) prämiert. Die Berliner Altersstudie ist eine
einzigartige, multidisziplinäre Untersuchung älterer Menschen im
Alter von 70 bis über 100 Jahre; die Teilnehmer der Studie wurden
bis zu siebenmal befragt. Die Studie ist ein Meilenstein in der
Untersuchung altersassoziierter Veränderungen.

Der nächste Demografiekongress wird am 4. und 5. September 2013 in
Berlin stattfinden.

Da Deutschland im Durchschnitt die älteste Bevölkerung Europas
hat, kann es in besonderem Maße die Chance nutzen, Vorreiter bei der
Gestaltung von Rahmenbedingungen für ein längeres Leben zu sein und
Modelle für ganz Europa zu entwickeln. Der Demografiekongress im
Jahre 2013 wird hierfür einen wichtigen Beitrag leisten.

Pressekontakt:
Dr. Franz Dormann
Gesundheitsstadt Berlin GmbH
Französische Straße 23
10117 Berlin
Fon +49 (0)30 70011 7600
E-Mail: dormann(at)gesundheitsstadt-berlin.de