Auf der einen Seite saust die Geriatriekeule herab,
mit der Kritiker wie Andreas Khol lächerlich gemacht werden sollen.
Auf der anderen Seite wird mit Hinweis auf Jörg Haiders Vision von
der Dritten _Republik die Faschismuskeule geschwungen. Beide Seiten
waten knietief durch den Populismus-Sumpf. Und es fällt auf, dass
der Disput über einen stärkeren Einsatz direkter Demokratie auch
entlang der Bruchlinien von Jung und Alt geführt wird.
Die Jungen werfen den Alten vor, den Menschen nichts zuzutrauen, sie
für dumm (und rechts) zu halten, sich der Demokratie und der
Mitbestimmung zu verweigern, sich ganz auf die Autorität der
Abgeordneten zu verlassen – oder schlicht den Aufwand zu scheuen, der
damit verbunden ist, das Volk in demokratische Entscheidungsprozesses
einzubinden.
Da ist was dran.
Die Alten werfen den Jungen vor, zu unsensibel für die Werkzeuge der
Demokratie zu sein, dem Volk zu viel zuzumuten. Das Volk sei nicht
qualifiziert genug, um komplexe Entscheidungen treffen zu können. Es
sei leicht vom Boulevard beeinflussbar und von den Demagogen
verführbar. Wie man an den Wahlergebnissen sieht. Wohin das führt,
das weiß man ja.
Da ist was dran.
Die Debatte muss aber dazwischen geführt. De facto sind alle Parteien
für einen Ausbau der direkten Demokratie – durchaus mit
unterschiedlichen Zugängen. Und es fällt auf, dass ausgerechnet die
SPÖ, die gerne Volksabstimmungen anordnen würde, wenn es ihren
Proponenten gerade tagesaktuell in den Kram passt, als einzige Partei
keinen konkreten Plan vorgelegt hat und es den anderen überlässt,
über die lästigen Details zu diskutieren.
Auf die Details kommt es aber an: worüber angestimmt wird; wie viel
Stimmen notwendig sind; wann und in welchen Fragen der Nationalrat
überstimmt werden kann. Tatsächlich kratzen die Modelle, die ÖVP,
Grüne oder FPÖ zur Diskussion gestellt haben, an den Grundfesten der
repräsentativen Demokratie. Und da kann man ruhig auf die Bedenken
der „Alten“, auf einen Alexander Van der Bellen, auf einen Andreas
Khol, auf einen Heinz Fischer hören: Auch Verfassungsgesetze zur
allgemeinen Abstimmung freizugeben ist gefährlich und heikel. Und
wohl niemand will Schweizer Verhältnisse.
Diejenigen aber, die das Volk für unqualifiziert halten und
stattdessen auf die Abgeordneten zählen, haben sich offenbar zu wenig
mit den Volksvertretern auseinandergesetzt: Diese bilden das Volk
schon ganz gut ab. Und das ist kein Kompliment.
Die Frage ist: Was kann dem Volk zugemutet werden, was kann seinen
Vertretern, respektive der Politik zugemutet werden? Mehr als jetzt
jedenfalls. Die Bürger bei wichtigen Entscheidungen einzubinden
belebt die Demokratie und die Demokraten. Man muss überlegen, ob sich
Studiengebühren oder die Wehrpflicht zur Abstimmung eignen und wie
man es mit einer Frage wie dem Parkpickerl halten will.
Den Volksvertretern ist zumutbar, dass sie in der Sache argumentieren
und sich darum bemühen, die Bürger für ein Thema, eine
Entscheidungsfindung zu interessieren. Den Bürgern ist zumutbar, sich
damit auseinanderzusetzen und mehr Verantwortung zu übernehmen – auch
in gelegentlichen Volksabstimmungen. Sonst stimmt das Volk bei der
nächsten Wahl wieder nur über das geringere Übel ab.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom