DER STANDARD-Kommentar: „Die SPÖ auf Fekters Spuren“ von Gerald John

Es ist so, als wäre eine Schallplatte hängen
geblieben. Vor der Wahl im Herbst 2008 stritten die
Koalitionsparteien über Sinn und Unsinn einer Steuersenkung – und sie
tun es heute wieder. Die ÖVP verteufelt den Ruf nach einer raschen
Entlastung als Sündenfall roter Schuldenmacher, die SPÖ kramt in den
Archiven, um schwarze Doppelzüngigkeit zu entlarven. Natürlich
verspricht nur das eigene Konzept das Gute und Wahre. Alles andere
ist unseriöser Schrott. Bei dem Schlagabtausch ist viel künstliche
Aufregung dabei, um im Wahlkampf Duftmarken zu setzen. Tatsächlich
gibt es zwischen dem neuen SPÖ-Konzept und den ÖVP-Plänen durchaus
Überschneidungen – in einer wichtigen Frage mehr, als das der
Kanzlerpartei lieb sein kann. Beide Regierungsparteien möchten – no
na – den Mittelstand entlasten. Wie sie das angehen wollen, ist
sinnvoll: Der Eingangssteuersatz, der derzeit ab einem
Jahreseinkommen von 16.800 Euro brutto mit satten 36,2 Prozent
zuschlägt, soll deutlich sinken, laut SPÖ-Vorschlag auf 25 Prozent.
Das würde vor allem vielen Frauen helfen: Frisst der Fiskus nicht
mehr mit dem ersten Biss einen derart großen Happen weg, steigt der
Anreiz, von einer Teilzeitbeschäftigung auf einen vollwertigen Job
umzusatteln. Die roten Pläne heben sich von den schwarzen dabei
insofern ab, als sie im Gegenzug keine ökonomisch unbegründeten
Extrazuckerln für Besserverdiener inkludieren. Der fragwürdige
Kinderfreibetrag der ÖVP hingegen verheißt gerade jenen mehr Geld,
die dieses weniger nötig haben: Die Entlastung steigt mit dem
Einkommen. Vernünftig ist auch, dass die Sozialdemokraten eine
Gegenfinanzierung vorsehen, während die ÖVP ihre dreimal so üppigen
Steuerversprechen auf die vage Hoffnung gründet, dass die wundersam
entfesselte Wirtschaft irgendwann das nötige Geld in die Staatskassen
spült. Dennoch steht auch das „aufkommensneutrale“Konzept der SPÖ nur
auf dem Papier bombenfest. Die allgemeine Millionärssteuer, das weiß
Kanzler Werner Faymann wohl, wird er gegen die ÖVP nicht
durchkriegen; das höchste der Gefühle sind eine Erbschaftssteuer und
eine Aufbesserung der Grundsteuer. Durch Hypo-Alpe-Adria-Debakel und
Scheitern der Finanztransaktionssteuer drohen Ausfälle im Budget, das
Wachstum dürfte nicht in den Himmel schießen. Was droht: Um das
Prestigeprojekt durchzubringen, tritt die Regierung bei jenen
Investitionen leise, die das Land am nötigsten hat – in Schulen,
Universitäten, soziale Dienstleistungen. Dabei verspräche all das
mehr Arbeitsplätze als eine Steuersenkung, die statt im
Wirtschaftskreislauf vielfach auf den Sparkonten landet. Für eine
Gruppe, als deren Anwalt sich die SPÖ gerne ausgibt, ist Faymanns
Plan daher eine schlechte Nachricht: Niedrigverdiener sind nicht nur
besonders vom Sozialstaat abhängig, sondern haben auch von der
verheißenen Entlastung nichts. Zwar zahlen sie wegen indirekter
Steuern und Sozialversicherung gemessen an Einkünften nicht weniger
Abgaben als Gutverdiener, nur entfallen diese eben nicht auf Lohn und
Einkommen. Pech gehabt: Das SP-Konzept sieht für diese 2,5 Millionen
Einkommensbezieher keinerlei Entlastung vor. Genau das haben die
Sozialdemokraten immer am Kinderfreibetrag von Finanzministerin Maria
Fekter kritisiert. Umso unverständlicher ist, dass die SPÖ in diesem
Punkt auf deren Spuren wandelt.

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