Günther Platter führt gerade anschaulich vor, wie
leicht es in Österreich ist, sich die Gunst eines Politikers zu
erkaufen. 2000 Euro für den Abschuss einer Gams, 900 für einen
Rehbock, 1500 für einen Vierzehnender oder, wenn es auch einmal was
Kleineres sein darf, 290 Euro für ein Murmeltier. Wenn es stimmt, was
kolportiert wird, dann hat Platter bei sieben Jagden immerhin sechs
Tiere erlegt. Er selbst nimmt ja keine Stellung dazu, weil er sich
nicht „kriminalisieren“ lässt, wie er sagt.
Was sich jedenfalls sagen lässt: Der Landeshauptmann nimmt offenbar
gerne. Herumballern auf anderer Leute Kosten, das ist für den Tiroler
Landeshauptmann ein ganz normales „Freizeitvergnügen im eigenen
Land“. Platter lässt sich von Wirten, Unternehmern, Bürgermeistern
und Agrargemeinschaften einladen. Er glaubt, dass dies zu seinen
Privilegien als Landeshauptmann, vielleicht auch zu seinen
Verpflichtungen als Politiker gehört.
Genau das ist der grundlegende Irrtum, dem Platter aufsitzt, wie auch
so viele andere Politiker in Österreich. Es ist nicht in Ordnung,
sich beschenken zu lassen. Das ist immer eine Gratwanderung zur
Bestechung. Platter führt die monatelang geführte Diskussion über
Korruption und ihre Bekämpfung ad absurdum, wenn er immer noch nicht
erkennen kann, was möglich ist und was nicht. Genau darum geht es in
der Debatte um das „Anfüttern“ von Politikern. Da wird darüber
diskutiert, ob ein Wert von hundert Euro bei Einladungen überhaupt
noch vertretbar sein kann, und Platter verpulvert ein Zigfaches
davon, ohne sich etwas dabei zu denken. Das Anfütterungsverbot gilt
auch für den Landeshauptmann, und dieser verdient in Tirol immerhin
14.688 Euro, könnte sich ein Murmeltier also durchaus selbst leisten.
Korruption wird in Österreich immer noch verharmlost. Das zeigt auch
die Reaktion von ÖVP-Chef Michael Spindelegger, der sich schützend
vor Platter stellt und „nichts Schlechtes“ an den Jagdeinladungen
erkennen kann. Würde es schon den von Spindelegger angekündigten
Verhaltenskodex geben und wäre dieser auch nur halbwegs ernst
gemeint, hätte Platter schwer dagegen verstoßen. Man nimmt als
Politiker keine Geschenke an, man nimmt keine Einladungen an, die
Grundlage für ein „Gegengeschäft“, eine Gefälligkeit sein könnten.
Aber offenbar gilt in der ÖVP „Lass dich nur nicht erwischen“ als
oberstes Gebot.
Dieser verharmlosende Zugang, der alles entschuldigen soll, was die
Politik so widerlich macht, bringt den gesamten Berufsstand in
Verruf. Da lassen sich Abgeordnete über staatliche Unternehmen den
Wahlkampf finanzieren, da werden für Parteizeitungen Inserate
gekeilt, da wird ohne Genierer genommen, da wäscht eine Hand die
andere. Und die ÖVP steckt besonders tief drinnen. Niemand braucht
sich wundern, wenn die in der Öffentlichkeit vorherrschende Meinung
sich rasch auf einen Punkt bringen lässt: „korruptes Pack“.
Mit einem Verhaltenskodex, der aus Spindeleggers Sicht offenbar
Gämsen und Hirschen toleriert, wird diesem schlechten Ruf nicht
beizukommen sein. Mit einem Parteienfinanzierungsgesetz, das
Vorfeldorganisationen und Firmenbeteiligungen außer Acht lässt, wie
das die SPÖ aus offensichtlichem Eigeninteresse betreibt, auch nicht.
Die Politik muss jetzt handeln, sie muss Gesetze umsetzen. Die
Politiker müssen Anstand zeigen, manche – und nicht wenige _- müssen
diesen offenbar erst lernen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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