In Europa machen sich Politiker Sorgen um die
Entwicklung des Euro, jene in Österreich um das Schicksal von Werner
Muhm, Klaus Schierhackl und Markus Beyrer. Im Schatten der Eurokrise
hat sich in Österreich eine Koalitionskrise zusammengebraut, bei der
es nicht nur um Posten geht, sondern um die Positionierung vor der
nächsten Wahl. In der SPÖ kursieren bereits Planspiele über eine
Vorverlegung der für Herbst 2013 vorgesehenen Wahl. Die Überlegungen
dabei: Die ÖVP steckt in einem Dauertief, die FPÖ im
Korruptionssumpf, der sich durch die Stiftungskalamitäten Martin
Grafs noch verdickt. Die Grünen konnten bisher nicht vom
Sauberkeitsnimbus profitieren.
Die SPÖ steht in Umfragen auf Platz eins, und Bundeskanzler Werner
Faymann fällt nicht weiter auf: Er entzieht sich weitgehend der
Aufgabe des Werbens für politische Standpunkte, der sich andere
Regierungschefs in Europa stellen. Auf die innenpolitischen
Baustellen schickt er seinen Staatssekretär Josef Ostermayer. Immer
wenn Ostermayer auftaucht (wie am Dienstag im Ö1-Morgenjournal), ist
Alarmstufe Rot in der Koalition; immer wenn Nationalbankgouverneur
Ewald Nowotny in der ZiB 2 auftaucht, gilt es, an der Euro-Front zu
kalmieren.
Dass sich auch die ÖVP auf die Wahl und die Zeit danach vorbereitet,
zeigt nicht nur ihre Blockade der Wiederbestellung von
Arbeiterkammer-Chef und Kanzlerberater Muhm für den Generalrat der
Nationalbank – gefeilscht wird auch um die Vertragsverlängerung des
ÖVP-nahen Asfinag-Vorstands Schierhackl, gegen den die SPÖ eine
frühere Mitarbeiterin des Finanzministeriums in Stellung bringt.
Durch den auch für die ÖVP völlig überraschenden fluchtartigen Abgang
von Verstaatlichtenholding-Chef Beyrer eröffnen sich nun neue
Möglichkeiten für das Postengeschachere. Der frühere
Schüssel-Sekretär hat sich den Problemen bei der Telekom und den
Fragen nach seinen vom Konzern finanzierten Jagdausflügen entzogen:
Österreich diskutiert über Beyrers Exit nach Brüssel, der Rest
Europas über Grexit, den Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone.
Eine Schlüsselrolle beim Feilschen kommt Finanzministerin Maria
Fekter zu, die bisher Muhms Bestellung blockiert hat und durch
Beyrers Abgang auch im Nationalbank-Generalrat in Zugzwang gerät.
Wenn, wie von Fekter bisher gewünscht, das Gremium verkleinert werden
soll, dürfte die ÖVP Beyrers Sitz nicht nachbesetzen. Mit Beyrers
Exit flammt der Streit zwischen ÖVP und SPÖ wieder auf, ob man die
ÖIAG angesichts der inzwischen überschaubaren Staatsbeteiligungen
noch braucht. Zumal die Jahresgage des Chefs von 20 Mitarbeitern
stolze 500.000 Euro beträgt.
Mit Auftritten, bei denen sich Fekter dem Ausland als „unguided
missile“ präsentiert, positioniert sie sich innenpolitisch: als
Alternative zu Michael Spindelegger nach einem Wahldesaster der ÖVP.
Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wartet auf seine
Chance. Die Grünen wiederum bringen sich durch ihr Mitgehen bei
Regierungsvorlagen wie dem Rettungsschirm ESM in Position für eine
Koalitionsbeteiligung und grenzen sich von der Rabiatopposition à la
FPÖ und BZÖ ab. Wie unsicher die FPÖ derzeit ist, zeigt
Heinz-Christian Strache zur Causa Graf: Er schwankt von verkappten
Rücktrittsaufforderungen zu Durchhalteparolen und zurück.
In Europa wartet man auf eine Lösung der Eurokrise, in Österreich auf
einen Wahltermin.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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